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Germanwings-Absturz: Kopilot flog gezielt in den Tod

Der Absturz der Germanwings-Maschine soll kein Unfall gewesen sein. Im Fokus steht der 27-jährige Kopilot. Welche Persönlichkeit steckt hinter Andreas L.?

Was passierte, als der Kopilot allein im Cockpit war?
Was passierte, als der Kopilot allein im Cockpit war?

Dieser Text ist erstmals im März 2015 in den "Salzburger Nachrichten" erschienen und wurde ob des Absturzes der Air-India-Maschine neuerlich veröffentlicht.

Sein Facebook-Profil wurde gelöscht. Und auch sonst verwischen sich die Spuren im Netz. Und doch kennt seit Donnerstagmittag die Welt einen Namen: Andreas L., 27 Jahre, aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur, Kopilot bei Lufthansa. Jener Mann, der für den Absturz eines Airbusses mit 15o Menschen an Bord verantwortlich sein soll. Laut Ermittlern hat er ganz bewusst den Kapitän aus dem Cockpit ausgesperrt, den Sinkflug der Unglücksmaschine herbeigeführt und acht Minuten lang jedes Hämmern an der Cockpittür ignoriert. Am Ende starben 150 Menschen. L. galt in seinem Heimatort als ruhig, zurückhaltend, sportlich und freundlich.

Die Familie ist im Ort gut integriert, die Mutter arbeitet in der evangelischen Kirche als Organistin. Seit seiner Jugend war L. Mitglied in einem Fliegerverein. Dieser schaltete bereits am Mittwoch eine Traueranzeige für den Verstorbenen. Darin heißt es: "Er konnte sich seinen Traum erfüllen, den er jetzt so teuer mit seinem Leben bezahlte." Ein Satz, der unter den aktuellen Ereignissen in einem anderen Licht erscheint.

Das Protokoll der letzten 3o Minuten von Flug 4U 9525 zeichneten Ermittler und Staatsanwaltschaft am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Marseille so: "Wir haben auf dem gefundenen Stimmenrekorder die letzten 30 Minuten gehört. Die ersten 20 Minuten unterhalten sich der Kapitän und der Kopilot ganz normal miteinander. Machen sogar Witze", erzählte der zuständige Staatsanwalt Brice Robin. Dann verließ Kapitän Patrick S. das Cockpit, weil er auf die Toilette musste. Robin: "Man hört einen Sitz zurückschieben, wie er das Kommando an den Kopiloten übergibt und sich die Tür öffnet." Daraufhin verriegelte L. offenbar die Cockpittür und drehte an einem Knopf, mit dem der Sinkflug eingeleitet wurde.

Als der Kapitän zurück in die Kabine wollte, habe er die automatisch verriegelte Kabinentür nicht mehr öffnen können, schilderte der Staatsanwalt. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mussten alle Cockpittüren massiv gesichert werden. Genau das dürfte Flug 4U 9525 zum Verhängnis geworden sein.

Zur Erklärung: Die Tür kann von außen nur mit einem Code geöffnet werden. Ein Läuten im Cockpit signalisiert dem dortigen Piloten, dass jemand den richtigen Code eingegeben hat. Mithilfe einer Videokamera überprüft der Pilot, wer vor der Tür steht, und entriegelt diese.

Die Piloten haben jedoch noch einen zusätzlichen geheimen Notfallcode, um die Tür zu entriegeln, etwa wenn der Pilot im Inneren bewusstlos ist. Im Cockpit erklingt dann 30 Sekunden ein lauter Dauerton. Der Pilot im Cockpit kann in dieser Zeit die Tür aktiv verriegeln, etwa weil sich eine Bedrohung vor der Tür befindet. Falls die Verriegelung nicht geschieht, öffnet sich die Tür.

Bei Flug 4U 9525 wirft diese Sicherheitstechnik allerdings Fragen auf: Warum hatte der Kapitän den Notfallcode nicht eingegeben und stattdessen gegen die Tür gehämmert? Möglicherweise hatte der Kopilot die Tür aktiv verriegelt, allerdings müsste dann die Türklingel auf den Audioaufnahmen zu hören sein. Das wird eine der Kernfragen der Ermittlungen sein.

Zurück zu den Geschehnissen im Cockpit: Auch auf Ansprache des Towers reagierte Kopilot L. nicht. Einen Notruf setzte er nicht ab. "Der Kopilot hat ganz vorsätzlich den Sinkflug eingeleitet", sagt Robin. Das Verhalten des Kopiloten könne man so werten, dass er den Willen gehabt habe, das Flugzeug zu zerstören, sagte der Staatsanwalt. Die Crew und der ausgesperrte Kapitän hätten in den letzten Minuten des Fluges gegen die Cockpittür gehämmert. Auch das hört man am Stimmenrekorder.

L. war seit 2013 bei der Lufthansa-Tochter Germanwings beschäftigt und hat 630 Flugstunden absolviert. Dass L. während des Fluges nach Düsseldorf ohnmächtig wurde und deshalb das Flugzeug an der Felswand zerschellte, schloss die Staatsanwaltschaft aus: "Man hört in den letzten zehn Minuten aus dem Cockpit ein regelmäßiges Atemgeräusch des Kopiloten. Er war demnach bei Bewusstsein. Wir müssen von einer absichtlichen Tötung ausgehen."

Den Passagieren sei wahrscheinlich erst zum Schluss klar geworden, dass der Crash bevorgestanden habe. Was die Behörden so sicher macht? "Erst unmittelbar vor dem Aufprall sind Schreie auf dem Stimmenrekorder aus der Kabine zu hören."

Das Haus der Familie von L., die sich aktuell an der Absturzstelle aufhalten soll, wurde am Donnerstag unter Polizeischutz gestellt. Zu Recht, wie ein Blick in soziale Netzwerke zeigt. L. wird dort als Monster beschimpft, Fotos seines Elternhauses und Urlaubsfotos veröffentlicht. Ermittler starteten noch am Donnerstag Hausdurchsuchungen im Elternhaus von L. und seiner Wohnung in Düsseldorf.