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Was Josef und Maria aßen

Am Weihnachtsabend gibt es bei unserem Korrespondenten in Italien als Dessert Zeppole. Verbunden mit einer spannenden Legende.

Zeppole sind frittierte Kringel, die ihren Namen vom Vater Jesu, Josef (auf italienische Giuseppe) haben.
Zeppole sind frittierte Kringel, die ihren Namen vom Vater Jesu, Josef (auf italienische Giuseppe) haben.
Süßspeisenfreund Julius Müller-Meiningen.
Süßspeisenfreund Julius Müller-Meiningen.

Maria, meine Ex-Schwiegergroßmutter, greift nicht mehr zum Kochlöffel. Die Italienerin aus Capri ist 97 Jahre alt, kochen und backen sollen jetzt lieber andere. Ich habe viel von Maria gelernt, nicht zuletzt in der Küche. "Ci vogliono tempo e calma!" hat sie immer gesagt. Zum Kochen brauche man Zeit und Ruhe, erklärte sie stoisch. Ich sehe sie vor mir, wie sie im Frieden mit sich selbst und mit Kochschürze die Töpfe und Pfannen vor sich kontrolliert, die Saucen umrührt, das Gemüse auf seine Festigkeit kontrolliert. Smartphones wurden nicht kontrolliert, wenn Maria kochte. Es war eine fast heilige Atmosphäre bei ihr in der Küche. Nur ein bisschen chiacchierare, also schwätzen. Der obligatorisch eingeschaltete Fernseher wurde so wenig beachtet wie das Rauschen auf den Straßen Roms.

Vor allem ihre Spaghetti alle vongole und die Süßspeise Zeppole sind mir tief in Erinnerung geblieben. Weil ich ihre Gerichte so gerne aß, hat sie mir einst eine persönliche Küchenschürze bemalt und geschenkt (siehe Foto). Inzwischen sehen wir uns nicht mehr so häufig wie früher, aber ich glaube, wir sind uns weiterhin in Zuneigung verbunden. Ok, ich habe ihre Urenkel nicht taufen lassen und bin auch nicht mehr mit ihrer Enkelin verheiratet. Zwei immense Herausforderungen für die gläubige Katholikin. Ich möchte ihr mit ihrem Zeppole-Rezept ein kleines Denkmal setzen - und weiterhin auf ihre Altersmilde hoffen.

Maria hat mir vor Jahren gesagt: "Weihnachten in Italien wird immer noch in der Familie gefeiert. Auch wenn alle das ganze Jahr über verstreut sind, kommt die Familie am Weihnachtsabend aus allen Himmelsrichtungen zusammen. Auch, wer im Ausland lebt, besucht seine Familie. Am 24. Dezember feiern wir die Nachtwache der Geburt Christi, la vigilia. Aus Respekt essen wir Katholiken kein Fleisch, sondern nur Fisch und Salate an diesem Abend. Als Dessert gibt es Zeppole, wie wir Süditaliener diese frittierten Zimtkringel nennen. Danach geht es in die Mitternachtsmesse." Die Mitternachtsmesse lässt Maria inzwischen aus Altersgründen ausfallen. Die Zeppole mache ich dieses Jahr.

In Italien ist das eigentliche Weihnachtsfest der 25. Dezember, gegessen werden Cappelletti con Brodo, also eine Art Tortellini in Fleischbrühe. In Marias Familie wird Fleischbrühe nicht besonders geschätzt, deswegen gibt es gekochtes Fleisch mit verschiedenen Saucen. Hühnerfleisch zum Beispiel oder Kapaun. Auch andere Familien machen das so, als Nachspeise gibt es Panettone-Kuchen und Torrone, eine Art Türkischer Honig auf Italienisch. Am zweiten Feiertag, Santo Stefano, ist es üblich, einen Ausflug mit der Familie zu machen und im Restaurant essen zu gehen. Oder man isst die Reste aus den Tagen zuvor.

Jetzt aber zu den Zeppole, die ich liebe wegen ihrer Süße, ihrem frittierten Teig, dem Zucker und Zimt, die am Ende über die heißen Kringel gestreut werden und der geraspelten Zitronenschale.

Sie sind eine typisch süditalienische Süßspeise, die vor allem im Raum Neapel Tradition hat. Capri, Marias Geburtsort, liegt bekanntlich um die Ecke. Maria hat das Rezept von ihrer Mutter gelernt, es stammt aus dem 19. Jahrhundert, wenn nicht aus noch früheren Zeiten. Zeppole sind frittierte Kringel, die ihren Namen vom Vater Jesu, Josef (auf italienische Giuseppe) haben.

Der Legende nach soll Josef auf der Flucht nach Ägypten Maria und das Jesuskind mit frittiertem Teig ernährt haben. Ob er auch Zucker, Zimt und Zitronenschale über die Kringel gestreut hat? Ich schließe nicht aus, dass diese Geschichte ihren Ursprung weniger in Palästina als in der ausschweifenden neapolitanischen Phantasie hat.