Der Weihnachtsbaum zieht nach spanischer Tradition bereits Anfang der zweiten Dezemberwoche ins Wohnzimmer ein. Spätestens mit dem nationalen Feiertag Mariä Empfängnis am 8. Dezember beginnen die Spanier, ihre vier Wände zu schmücken. Meist tun sie dies nicht mit einem echten Baum, sondern mit einer Plastiktanne. Das hat Vorteile: Das Kunststoffgewächs kann jedes Jahr wieder benutzt werden - unsere Plastiktanne ist schon 30 Jahre alt.
Beim Christbaum steht vielerorts eine Krippe. In der sind aber nicht nur die bekannten Protagonisten der religiösen Weihnachtsgeschichte vertreten. Neben Maria, Josef und den Heiligen Drei Königen findet sich eine ziemlich freche Figur, die mit heruntergelassener Hose ihr Geschäft verrichtet - der "Caganer" (auf Deutsch: das Scheißerchen). Diese Gestalt, die Glück bringen soll, trägt oft die Gesichtszüge Prominenter, etwa jene von König Felipe oder Papst Franziskus.
Mit dem Einzug von Festbaum und Krippe Anfang Dezember beginnen die ersten Überlegungen, was dieses Mal am Heiligen Abend aufgetischt wird. Dabei gilt in Spanien: Der Weihnachtsabend ist vor allem ein Fest des großen Essens und weniger der großen Geschenke. Die Präsente liegen erst am Dreikönigstag unter dem Lichterbaum.
Ein typisches nationales Weihnachtsessen gibt es in Spanien nicht. Jede Region hat ihre Vorlieben. Wichtig ist nur: Der Festschmaus muss erlesen sein. Ein vergleichsweise schlichtes Gericht wie die in Salzburg beliebte Würstelsuppe wäre am spanischen Heiligen Abend, der "nochebuena", undenkbar und ein Sakrileg.
Stattdessen: Speisen auf höchstem Niveau und bis zum Abwinken. So startet der Weihnachtsschmaus üblicherweise mit ein paar kleineren Tapas. Es gibt luftgetrockneten Bergschinken ("jamón ibérico") von jenen glücklichen Schweinen, die nichts als Eicheln fressen; den berühmten Schafskäse ("queso manchego") aus der Don-Quijote-Region Kastilien-La Mancha; und natürlich ein paar Atlantik-Meeresfrüchte, wie etwa Garnelen.
Schon satt? Das wäre schade. Denn nun geht es erst richtig los mit dem ersten Gang. Dieser wird gerne in flüssiger Form kredenzt: eine Gemüse- oder Fleischbouillon, Knoblauchsuppe oder Mandelcreme. Das gibt Kraft für den Hauptgang. Der kommt meist aus dem Ofen: Am populärsten sind Fisch (Kabeljau oder Meerbrasse) oder Fleisch (Truthahn, Lammkeule oder Spanferkel).
Mein Favorit ist dieses Jahr die Lammkeule. Für zwei Personen braucht man zwei Keulen vom Milchlamm, dessen Fleisch besonders zart und saftig ist. Man muss sie nur mit Öl einpinseln und mit Salz, Pfeffer sowie Thymian würzen, 90 Minuten bei 180 Grad im Ofen garen. Etwa alle 15 Minuten mit ein bisschen Marinade aus Weißwein, Olivenöl, Zitronensaft, fein gehacktem Knoblauch und Thymian begießen. Zum Abschluss noch für 20 bis 30 Minuten bei 220 Grad rösten. Den Bratensud zu einer Sauce verarbeiten - und fertig. Dazu passende Erdäpfel können gleich auf einem Blech im Ofen mitbraten. Nach dieser Völlerei wiegt der Bauch dann doch ziemlich schwer. Deswegen lassen sich die Spanier für den Nachtisch am liebsten auf das Sofa fallen. Beim Weihnachtsdessert mögen sie es süß: Unverzichtbar ist der nougatähnliche "turrón" aus Mandeln, Honig und Zucker. Und die "polvorones" - Kekse, die im Mund zu Staub zerfallen und somit den wirklich letzten Gang einleiten: Den bildet ein Glas des spanischen Schaumweins "cava".
Beim Anstoßen mit Cava sagt man "Salud!" (Gesundheit). Wenn die Runde schon etwas ausgelassener ist, geht es mit dem gehobenen Glas auch etwas lustiger, und zwar mit "Arriba, abajo, al centro y adentro" - auf Deutsch (und mit den entsprechenden Bewegungen): Nach oben, nach unten, in die Mitte und rein damit.

