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In den Tiefen des Internets: Was uns Google nicht zeigt

Suchmaschinen bilden nur einen Bruchteil des Webs ab. Im Verborgenen bleibt viel Nützliches, aber auch die dunkle Seite des Internets. Jener Bereich, in dem es Mengenrabatt auf Kokain gibt.

In den Tiefen des Internets: Was uns Google nicht zeigt
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In den Tiefen des Internets: Was uns Google nicht zeigt
In den Tiefen des Internets: Was uns Google nicht zeigt

Das Verhältnis ist derart unvorstellbar, dass es wohl nur ein Vergleich greifbar macht: Nehmen wir an, das ganze Internet sei Europa. Dann wäre jener Teil, den uns Google zeigt, nicht der ganze Kontinent, auch nicht ein einzelnes Land - sondern die Stadt München. Experten gehen davon aus, dass die weltgrößte Suchmaschine lediglich 0,2 Prozent des World Wide Web abbildet. Oder anders: Der Teil des Internets, den wir nicht finden können, ist 500 Mal größer als jener, der auf Google indiziert ist.

Jene gigantische Welt, die sich unter der Suchmaschinen-Oberfläche auftut, wird Deep Web genannt. Das Deep Web gibt es, seit es das Internet gibt. Dennoch ist vielen immer noch nicht bewusst, was ihnen Google vorenthält. "Google ist ein riesiger Filter", sagt der Wiener Netzaktivist Wolfie Christl. "Dieser Filter bestimmt, was im Internet auffindbar ist - und somit, was im Web wirklich existiert."

Wieso uns Google nicht alles zeigt

Doch wieso zeigen uns die Online-Suchmaschinen bestimmte Inhalte nicht? Und was genau sehen wir nicht? "Google greift nur die Oberfläche des Internets ab. Und es kämpft mit technischen Limitierungen", erläutert Christl. Ein simples Beispiel sind Online-Bibliotheken: Google kann nur die Hauptseite erfassen und listen. Die komplette Datenbank, die dahinter liegt, also alle Bücher, liest die Suchmaschine nicht aus. "Google arbeitet zwar daran, dass immer mehr erfasst wird. Aber alles wird nie abgedeckt werden." Alles zu zeigen, mache laut Christl auch keinen Sinn: Es gebe unzählige Seiten mit nutzlosem Inhalt im Web. "Solche Seiten müssen und sollen nicht gelistet werden", ergänzt der Netzexperte.

Parallel gebe es Seiten-Betreiber, die ihre Seite bewusst nicht auf Google anzeigen, etwa aus urheberrechtlichen Gründen: "Sie können in der robots.txt-Datei (eine Textdatei, die auf dem Server der Website liegt, Anm.) Google sagen, dass die ganze Seite oder bestimmte Unterbereiche nicht indiziert werden sollen." Google halte sich meist daran - im Gegensatz zu anderen Suchmaschinen, Geheimdiensten etc.

Zudem können Doppelbedeutungen von Suchbegriffen Google Probleme bereiten. Wenn etwa ein Wort in Verbrecherkreisen eine andere Bedeutung hat als dies landläufig der Fall ist, tut sich die Suchmaschine schwer, nur die verwerflichen Ergebnisse zu filtern. "Das sind aber nur Einzelfälle", ergänzt Christl. Google werde bei solchen Szenarien "immer intelligenter".

Die dunkle Seite des Internets

Doch trotz aller Lernfähigkeit bleibt noch wesentlich mehr im Dunklen - und das im wahrsten Sinne des Wortes: Ein kleinerer aber nicht unwesentlicher Teil des Deep Webs ist das sogenannte Darknet. Das Darknet kann im Regelfall nur anonym besucht werden, zum Beispiel über den Tor-Browser, eine Alternative zu Chrome oder dem Internet Explorer. Der Browser setzt auf Verschlüsselung - und schützt so die Anonymität der Nutzer.

Wer sich die Mühe macht und sich über Einstiegsplattformen wie "The Hidden Wiki" von Darknet-Seite zu Darknet-Seite vorarbeitet, bekommt schnell die Schattenseite des Internets geboten. Im "Dunklen Netz" gibt es Kinderpornografie, Waffen- und Drogenhandel. Bestimmte Plattformen bieten auf Kokain oder Pistolen sogar Mengenrabatt an. Auch Zugangsdaten zu gehackten Bankkonten oder gefälschte Pässe können erworben werden. Und wem das bereits Gehackte noch nicht reicht, der kann Hackerdienste mieten. Ein E-Mail- oder Facebook-Konto wird ab 50 Euro geknackt, wenn man jemand Kinderpornos unterschieben will, muss man schon 500 Euro zahlen.

"Unverzichtbare Hilfsmittel" für Snowden & Co

Jedoch ist nicht alles schlecht, was sich im Darknet abspielt. Die Möglichkeit, anonym und nur schwer nachverfolgbar zu kommunizieren, wird ebenso von Journalisten und Aktivisten genutzt: "Tor und das Darknet im Allgemeinen sind unverzichtbare Hilfsmittel, um freie Rede zu gewährleisten", sagt Netzaktivist Christl. Die NSA-Affäre um Edward Snowden oder die Wikileaks-Enthüllungen hätte es wohl ohne die einschlägigen Möglichkeiten nie gegeben. Aber Achtung: Auch wenn man mit dem Tor-Browser oder vergleichbaren Mittel surft, ist man nicht vollkommen sicher: "Mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen ist nichts im Netz komplett anonym", ergänzt Christl. Dazu passt, dass es dem FBI im vergangenen Jahr gelungen ist, ein Netzwerk von 200.000 Pädophilen im Darknet auszuheben. Zudem vermutet Christl, dass man sich "erst recht verdächtig macht", wenn man auf den Tor-Browser oder Ähnliches setzt. Dennoch ist die Möglichkeit, zumindest ansatzweise anonym zu surfen, für Christl unverzichtbar. "Eine Forderung nach einem Verbot ist für mich demokratiepolitisch völlig jenseitig." Wenn es nach Christl geht, müsse man sich um andere Themen wesentlich mehr Sorgen machen: "Es ist für mich viel problematischer, dass mit Google eine private Firma bestimmt, was für die meisten im Internet existiert und was nicht - und somit unseren Blick auf die Welt bestimmt."

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