Wer in Österreich ein Amt aktiv anstrebt, hat schon verloren. Wer über seine Ambitionen schweigt und im Hintergrund die Fäden zieht, wird Erfolg haben. So auch im Fall von Lothar Lockl, dem neuen starken Mann im ORF-Stiftungsrat. Bis Mittwoch wollte der 53-jährige Wiener nicht einmal seine Kandidatur bestätigen, sein Schweigen begründete er mit "Respekt vor dem Gremium". Donnerstagmittag wurde Lockl mit 34 von 35 Stimmen zum Nachfolger von Norbert Steger gewählt. Auf den wandlungsfähigen und immer kauziger werdenden freiheitlichen Ex-Vizekanzler folgt ein taffer Kommunikationsberater und Netzwerker aus dem grünen Lager.
Als 18-Jähriger hatte er sich bei der Besetzung der Hainburger Au mit der ökologischen Bewegung angefreundet, später arbeitete der Politik- und Kommunikationswissenschafter für die Umweltschutzorganisation Global 2000. Nachdem Lothar Lockl 1997 Mitorganisator des Gentechnik-Volksbegehrens war, stieg er im Jahr 2000 bei den Grünen ein. Ein Angebot für einen SPÖ-Nationalratsposten hatte Lockl zuvor abgelehnt. Der Mann, der weiß, wie man Strategien und Kampagnen entwirft, avancierte 2006 zum grünen Bundesparteisekretär. Der Politik hielt Lockl aber nur drei Jahre die Treue, danach machte er sich als Kommunikations-, Strategie- und Politikberater selbstständig. Die Agentur Lockl & Keck bietet "Beratung für Strategie, Nachhaltigkeit, Kommunikation" an, der Werbeslogan kündet von Selbstbewusstsein: "Wir machen vieles. Und wir wissen, wie man Erfolg bringt."
Das kann mittlerweile auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigen, agierte doch Lothar Lockl als Wahlkampfleiter für den ersten grünen Kandidaten, der es in die Hofburg geschafft hat. Ein Erfolg, den manche auf Lockls einschlägige Erfahrung als exzellenter Schachspieler zurückführen. "Beim Schachspielen habe ich die Unterscheidung zwischen kurzfristiger Taktik und langfristiger Strategie gelernt", sagte er einmal. Noch eine für das Leben in der Politik nützliche Lehre aus dem Brettspiel: "Unter Zeitdruck gelassen bleiben und damit umgehen, dass man die Entscheidung für einen Zug, den man gemacht hat, nicht mehr zurücknehmen kann." Die Kür Lothar Lockls ist spätestens seit Bekanntwerden der Sideletter zwischen den türkis-grünen Regierungsparteien keine Überraschung. Die Veröffentlichung dieser Packelei wird die Freude des Wieners an seiner neuen Funktion möglicherweise trüben, doch das sind eben Nebengeräusche, mit denen ein Machtpragmatiker wie Lockl zu rechnen hat.
Die Person Lockl wird von den Oppositionsparteien weiter kritisch beäugt werden, ist doch seine Agentur auch in die Öffentlichkeitsarbeit des Klimarats involviert und bezieht Aufträge vom Umweltministerium. Seine Beratungstätigkeit für Van der Bellen sei abgeschlossen, seine neue Funktion mit jener eines Wahlkampfmanagers nicht vereinbar, hieß es. Ob er mit der Sideletter-Vorgeschichte einer ist, der - wie von ORF-Moderator Armin Wolf angeregt - die starre Struktur der parteipolitischen Freundeskreise aufzuweichen beginnt, bleibt abzuwarten. Sein erstes Statement ("Ich möchte, dass die Strahlkraft des ORF wieder in den Vordergrund rückt, und meinen Beitrag dazu leisten, den ORF in eine erfolgreiche digitale Zukunft zu führen") glänzt durch Vagheit. Auch ist die Macht seiner Funktion beschränkt, der Austria-Wien-Fan wird Sitzungen einberufen, Tagesordnungen planen, als Kommunikator nach außen agieren.
