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Keine Gegenstimme für den Vorsitz des ORF-Stiftungsrats

34 der insgesamt 35 möglichen Stimmen erhielt Lothar Lockl als neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats.
34 der insgesamt 35 möglichen Stimmen erhielt Lothar Lockl als neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats.

Fast einstimmig wurde Lothar Lockl zum neuen Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats gewählt. Lediglich eine der 35 Stimmen fehlte ihm dazu. Wenig überraschend ist, dass sich die Stiftungsräte nach der Wahl positiv über Lockls Kür äußerten - über alle Farben der politischen "Freundeskreise" hinweg. Gegenüber der APA wertete beispielsweise der Leiter des ÖVP-Freundeskreises, Thomas Zach, die breite Unterstützung für Lockl als "positives Signal für die Zukunft des ORF". Er sei davon überzeugt, dass Lockl seine neue Funktion gut ausführen werde.

Auch den SPÖ-Freundeskreis-Leiter Heinz Lederer konnte Lothar Lockl von sich überzeugen. Der frisch gewählte Vorsitzende habe ihn mit dem "Zukunftsszenario des ORF" und seinem "Verständnis der Position" überzeugt, sagt er in einem Gespräch mit den SN. "Lockl steht für einen unabhängigen ORF", erklärt Lederer.

Besonders positiv sei ihm aufgefallen, dass der neue Vorsitzende die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stelle - und das seien beim ORF immerhin fast 4000. Außerdem habe Lockl versichert, Geldquellen suchen zu wollen, um die Streaminglücke des ORF zu schließen. Dies sei ein wichtiger Schritt, betont der SPÖ-nahe Stiftungsrat.

Dass Lockl auf einem Ticket der grünen Parlamentspartei in das Gremium kam, sorgte für viele Diskussionen. Thomas Zach betont diesbezüglich, dass die Entscheidung im Stiftungsrat gefällt worden sei - nicht von der Regierung. Auf die Frage der APA, ob politische "Freundeskreise" noch zeitgemäß seien, meint er, dass es "extrem wichtig" sei, sich im Vorfeld einer Sitzung zu beraten.

Noch vor wenigen Tagen appellierte der "ZiB 2"-Anchorman Armin Wolf beim Fest des Branchenmagazins "Journalist:in" in Wien an die ORF-Stiftungsräte: "Vielleicht könnten Sie es einmal ohne Gründung dieser Parteifreundeskreise probieren." In keinem der mehr als 1100 Aufsichtsräte in Österreich gebe es solche politischen Fraktionen, in denen das Stimmverhalten vorab abgesprochen wird, fuhr er fort und verwies auf das Verfassungsgesetz über die Unabhängigkeit des Rundfunks. Die Wahl von Lothar Lockl zeigt, es ist ein Wunsch geblieben.

Lederer erachtet die "Freundeskreise" als "semantisches Problem", gebe es doch auch Länder- oder Kulturinteressen. Für ihn sei der Stiftungsrat ein "sehr partizipatives Gremium". Die Sichtweise von Wolf würde Lederer nicht teilen und auch auf den Vergleich mit anderen Aufsichtsräten reagiert er mit Unverständnis: "Auch in anderen Aufsichtsräten haben Stifter im Regelfall ihre Vertrauten sitzen." Zudem würde der Staat auch für den ORF haften, weshalb dieser auch in der Pflicht sei, sicherzustellen, dass im Stiftungsrat "vernünftige Menschen" sitzen.

Von den Neos kommt indes Kritik an der Wahl von Lockl. Die Mediensprecherin der Partei, Henrike Brandstötter, fordert, dass der ORF unabhängiger werden müsse. "Um einen kritischen, unabhängigen Journalismus zu gewährleisten, muss der Einfluss der Parteien im ORF endlich ein Ende haben", sagte sie der APA. Ihrer Meinung nach bräuchte es einen Aufsichtsrat, "der wiederum einen mehrköpfigen Vorstand mit klarer Kompetenzverteilung bestellt und überwacht".

Als stellvertretender Vorsitzender wählte der Stiftungsrat erneut den bürgerlichen Franz Medwenitsch. Medwenitsch war von 2006 bis zur Übernahme von Zach im Jahr 2014 Leiter des ÖVP-Freundeskreises. Er übernimmt erneut die Rolle als Programmausschuss-Vorsitzender.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann machte in der Sitzung auf die angespannte finanzielle Lage des ORF aufmerksam. In einem skizzierten Worst-Case-Szenario könne dieser am Jahresende etwa 40 Millionen Euro verlieren. Gründe für dieses beunruhigende Szenario seien die Inflation, erhöhte Energie- und Baupreise wie auch GIS-Abmeldungen. ORF-intern wird aber bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket gearbeitet, um drohende Millionenverluste abzuwenden.