Lara rennt. Wieder. Aber zum vorerst letzten Mal. Mit "Shadow of the Tomb Raider" geht die Reboot-Trilogie, die die Geschichte der jungen Lara Croft erzählt, zu Ende. Seit 1996 begeistert die "Tomb Raider"-Serie Millionen von Spielern, begleitet ganze Generationen. Es ist eine der erfolgreichsten Videospiel-Reihen überhaupt, ein lukratives Franchise. Und die Protagonistin eine Ikone auf dem Bildschirm, der Leinwand und in Musik-Videos.
Croft war eine der ersten weiblichen Helden im bis dahin männlich dominierten Spieluniversum, anfangs vor allem bekannt für ihren enormen Brustumfang, der inzwischen deutlich abgenommen hat. In der Reboot-Trilogie, eine Art Vorgeschichte, wird Lara Croft als junge Archäologin gezeigt, die auf den Spuren ihres Vaters Tempel, Gräber und Höhlen nach Schätzen und Artefakten durchsucht.
Auch im dritten Teil bleiben die Macher dem bewährten Konzept treu: Es wird geklettert, gesprungen, geschwungen. Und immer wieder zwängt sich Croft durch schmale Felsspalten, oft auch unter Wasser, was eine klaustrophobische Enge erzeugt. Wenn die Luft knapp wird und weit und breit kein Ausgang in Sicht ist, dann bleiben oft nur kleine Luftblasen, die vor dem Ertrinken schützen. Spannender kann ein Abenteuerspiel nicht sein. Das gilt auch für die zahlreichen Verfolgungsjagden: Mal hetzt Lara durch einen einstürzenden Tempel, mal wird sie von einer Tsunamiwelle mitgerissen. Oder sie hangelt sich durch eine Stadt, die von einer gigantischen Schlammlawine verschluckt wird - stets auf der Suche nach einem sagenumwobenen Dolch, der laut Maya-Prophezeiung die drohende Apokalypse verhindern soll.
Zugegeben: Die Geschichte ist nicht unbedingt oscarreif, aber das muss sie auch nicht sein. Vielmehr dient sie als Leitschnur für ein düsteres Endzeitepos, in dem es kaum Momente des Verschnaufens gibt. Nur selten schrauben die Entwickler das Tempo runter - etwa wenn Lara Rätsel lösen, Gegenstände finden oder mit Dorfbewohnern reden muss. Oder als sie in einer emotionalen Rückblende als kleines Mädchen das Anwesen der Eltern erkundet und dabei auf die Funde und Errungenschaften ihres Vaters stößt.
Es sind dies fabelhafte Momente, in denen "Shadow of the Tomb Raider" endlich aus dem Schatten der "Uncharted"-Reihe tritt und etwas völlig Eigenes erschafft. Denn bis dahin war das Reboot ein eher beliebiger, wenn auch sehr unterhaltsamer Abklatsch der Drake-Saga. Technisch ist das Game sowieso perfekt, optisch wie spielerisch. In diesem Teil aber beschränken sich die Macher nicht bloß auf Referenzen, sie gehen eigene Wege.
Düster wird es etwa, wenn Lara im dichten Dschungel gegen gefährliche Jaguare kämpfen und Feinde in tödliche Fallen locken muss. Für einen Popcorn-Actionkracher ist das stellenweise ziemlich brutal. Mit Schlamm im Gesicht und Kampfmesser in der Hand wirkt Croft wie eine weibliche Version von Rambo, etwa wenn sie in Zeitlupe aus brennendem Wasser emporsteigt, um kurz danach eine Raffinerie in Schutt und Asche zu legen. Oder wenn sie Gegner im Würgegriff unter Wasser zieht und Kontrahenten mit brennenden Pfeilen und Molotowcocktails erledigt.
Erstmals erlaubt sich die Reihe auch einen kurzen Abstecher ins Horror-Genre. Im Untergrund lauern nämlich - leider etwas klischeehaft dargestellte - Wilde, die im Schutze der Dunkelheit angreifen. Gruselig ist das. Umso packender ist das Ende, wenn aus der vermeintlichen Bedrohung plötzlich Verbündete werden und ein groß angelegter Angriff losbricht. Dieser Ansturm auf die letzte Bastion des Feindes, quasi ein neues Alamo, wird noch lange in Erinnerung bleiben.
In der teils offenen Spielewelt gibt es auch abseits der Hauptgeschichte wieder viel zu erkunden: Dörfer, Tempel, unterirdische Städte. Prunkvolle Gräber und modrige Gruben. Und umwerfende Landschaften, die zum Verweilen einladen. Ob in Mexiko, Peru oder Indien, überall gibt es Bewohner, Freunde und Mitstreiter, die Hilfe benötigen. Am Ende ist Lara Croft die unumstrittene Dschungelkönigin, eine Kriegerin, inzwischen wohl eher eine Killerin.
Fazit: "Shadow of the Tomb Raider" liefert ein rundum überzeugendes, starkes Finale, voller Action, Explosionen und akrobatischen Klettereinlagen. Nach dem Ende der "Uncharted"-Reihe bleibt nur zu hoffen, dass Lara schon bald wieder Gräber plündert.
Info
Shadow of the Tomb Raider
Square Enix
PS4 (Test), Xbox One und PC
USK: Ab 16 Jahren