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Wie gefährlich Gaming wirklich ist

Der deutsche Innenminister sieht einen Zusammenhang zwischen Computerspielen und Terror. Was an der These dran ist. Und wie Eltern verhindern können, dass Kinder spielsüchtig werden.

Es gibt kaum noch einen Jugendlichen, der nicht Computerspiele zockt (Symbolbild).
Es gibt kaum noch einen Jugendlichen, der nicht Computerspiele zockt (Symbolbild).

Die SN erreichen Manuel Haselberger bei den Aufbauarbeiten der Game City im Wiener Rathaus. Die größte Spielemesse Österreichs sei vor 13 Jahren gestartet worden, schildert der Sprecher des eSport-Verbands Österreich. In einem Zeitraum, als in Deutschland etwa über die Auslöser des Amoklaufs von Emsdetten diskutiert wurde. Ein 18-Jähriger, der auch gewalthaltige Computerspiele zockte, hatte in einer Schule 37 Menschen verletzt. "Die Game City ist zur Aufklärung entstanden."

Die Debatte um die Auswirkung von Gewalt in Computerspielen ist keine neue. Doch vor wenigen Tagen brachte sie der deutsche Innenminister Horst Seehofer wieder aufs Tapet. "Viele von den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene", sagte der CSU-Politiker nach dem Terrorangriff von Halle.

"Das waren voreilige Schlüsse", sagt Manuel Haselberger. "Es tut mir fast schon leid, dass er derart uninformiert ist." Solche Taten hätten nichts mit Gaming zu tun. Spiele, in denen Gewalt dargestellt werde, seien höchstens "ein kleiner Teil in einem komplexen Geflecht, das Leute gewaltbereit werden lässt". Haselberger untermauert seine These mit einer wissenschaftlichen Abhandlung aus 2010: In "Gewalttätig durch Medien?" schreiben Michael Kunczik und Astrid Zipfel von einem "allenfalls moderaten" Einfluss von Computerspielen auf die Aggression der Zocker.

Es gibt aber auch Gegenmeinungen: In einer 2010 veröffentlichten Studie will US-Psychologe Craig Anderson bewiesen haben, dass Gewaltspiele aggressiv machen. Und selbst Haselberger fügt an, dass es nicht "zu positiven Entwicklungen führen kann", wenn eine Person, die bereits gewaltbereit ist, gewalthaltige Spiele spielt.

Jugendpsychologe Markus Janschütz ist ähnlicher Meinung. Eine gegebene Grundaggression könne durch die Spiele verstärkt werden. "Aber Gaming ist nie der ausschlaggebende Grund." Man müsse sich bewusst machen, dass Computerspiele Teil der Jugendkultur seien: In den USA würden 97 Prozent der Teenager zocken. "Und bei uns sind die Zahlen nicht groß anders."

Gaming könne sogar positive Folgen haben. So könne die soziale Interaktion auf Spielplattformen dazu führen, "dass introvertierte Jugendliche stärker aus sich herausgehen". Zudem sei die Reaktionsfähigkeit der Jugend von heute nachweislich höher als noch vor Jahren - was mit den Spielen zusammenhänge. Dies bestätigt ein Trend in den USA: Dort sind Gamer als Drohnenpiloten besonders nachgefragt, da sie sich stärker auf mehrere Details gleichzeitig konzentrieren könnten.

Doch freilich kann das Zocken auch zu weit gehen: "Spielsucht ist eines der größten Themen in der Jugendarbeit", schildert Janschütz. Ob ein Suchtverhalten vorliegt, könnten Eltern etwa nachvollziehen, indem sie die Reaktion ihrer Zöglinge prüfen, sobald sie ihnen ihr Spielgerät weggenommen haben. "Findet er schnell etwas anderes? Oder irrt er eine Viertelstunde verstört im Haus herum?"

Im besten Fall verhindern Eltern aber, dass Kinder spielsüchtig werden. Der Jugendpsychologe rät vor allem dazu, sich ernsthaft für die Spiele zu interessieren. Die Altersbeschränkung einzuhalten sei indes ebenso empfehlenswert, wie Nutzungszeiten zu definieren. Dazu: "Wenn Sie mal die Zeit übersehen, reißen Sie Ihrem Kind das Spiel nicht aus der Hand. Lassen Sie es das Level fertig spielen."

Angesprochen auf Horst Seehofers Aussage spricht Janschütz von "absolutem Humbug". Auch die Kritik des Innenministers, dass Rechtsextreme Gaming-Plattformen stark für ihre Botschaften nutzen würden, sei so nicht haltbar. Freilich mache es die Chatfunktion bei Spielen "den Rattenfängern ein Stück leichter". Aber die Gefahr gebe es auf allen Kommunikationsplattformen im Internet. eSport-Verband-Sprecher Haselberger ergänzt: "Eine rechte Spieleszene ist mir nicht bekannt." Und Psychologe Janschütz zieht noch einen Generationenvergleich: "Als Jugendliche sind wir bei ,Super Mario' auf Schildkröten gehüpft. Dennoch sind von uns nicht überdurchschnittlich viele zu Tierquälern geworden."

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