Herrlich duftet es im Geschäft, wenn Oma Gun ihre Zimtschnecken frisch bäckt. "Oma macht die Kanelbullar, wie sie im schwedischen Original heißen, nach dem Rezept ihres Vaters, der in Südschweden eine Konditorei gehabt hat", erzählt Enkelin Julia. Jeden Freitag und Samstag gibt es die süßen Germteigschnecken im "s'Wohnzimmer" in Oberndorf, jenem Concept-Store, den Julia im Oktober mit viel Herzblut eröffnet hat.
Backrezept wird heute keines herausgerückt, aber dafür die Geschichte, wie ihre Großmutter 1965 zum ersten Mal nach Salzburg gereist und hier "hängen geblieben" war. Opa Hans sitzt seiner Frau gegenüber und blickt sie auch nach mehr als 55 Ehejahren verliebt an wie in den Tagen ihres Kennenlernens im Juni 1965. Kein Wunder, dass sich beide an viele Details noch so erinnern, als wäre es gestern gewesen.
"Ich bin mit 16 mit meiner Schulklasse per Zug für eine Woche nach Salzburg gereist, weil mein Lehrer so ein Fan dieser Stadt war", beginnt die heute 75-jährige Gun zu erzählen. Sie sei müde von der langen Zugfahrt gewesen, "es war meine erste Reise ins Ausland, ich war total fertig", erinnert sie sich. "Ich wollte am ersten Abend im Hotel bleiben." Aber ihre Freundin ließ das nicht zu - und was hätte sie verpasst! Im damaligen Tanzcafé Corso in der Imbergstraße begegnete sie an diesem Abend beim "Fünf-Uhr-Tee" dem zwei Jahre älteren Hans, der mit seinem kleinen Bruder und einem Freund ausgegangen war. Hans sagt, er sei in Lehen in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und habe sich im Corso immer nur ein Cola leisten können. "Ich bin ständig aufs Klo mit der Flasche, um sie mit Wasser aufzufüllen", erzählt er lachend. Als er Gun traf, "hat bei uns beiden der Blitz eingeschlagen", sagt er und sie nickt ihm zu.
Von diesem Moment an treffen sich Gun und Hans, sooft das eben möglich ist im Laufe einer Urlaubswoche, die von Ausflügen mit der Klasse bestimmt ist. "Und ich habe ja auch arbeiten gehen müssen", sagt Hans. Er absolvierte damals bei Mercedes eine Lehre als Bürokaufmann. Als die Woche vorbei ist, Adressen ausgetauscht sind, weiß Hans: "Ich muss zu ihr rauf nach Schweden." Aber dafür muss er erst einmal genug Geld verdienen, die Fahrt kostet - und dann braucht er in Schweden ja auch noch eine Unterkunft. Von Juni bis Oktober schuftet er neben seiner Bürotätigkeit jedes Wochenende auf Baustellen, schleppt Ziegel und Zementsäcke, bis genug Geld zusammengespart ist. Auf der langen Zugfahrt ist er nervös, denkt sich, trotz der vielen Briefe, die zwischen Salzburg und Tomelilla hin- und hergegangen sind: "Ob sie mich noch erkennt?" Das tut sie natürlich und nun verbringen sie eine verliebte gemeinsame Woche in Schweden.
Im März 1966 beschließt Hans, der seine Lehre inzwischen abgeschlossen hat, nach Schweden zu ziehen. Das Hotel, in dem er zunächst unterkommt, stellt ihn gleich als Tellerwäscher ein, später arbeitet er in einer Möbelfabrik. Wie verrückt lernt er Schwedisch, "weil ich ja gewusst habe, dass eine Aufenthaltsgenehmigung neben einer Beschäftigung auch von meinen Sprachkenntnissen abhängt", sagt er. "Ich habe ganz viel ferngesehen. In Schweden zeigen sie englische Filme im Originalton mit schwedischem Untertitel. Und die Zeitung habe ich fleißig gelesen." Mit Gun habe er aber ohnehin die allerbeste Schwedischlehrerin an seiner Seite gehabt.