Es ist eine Episode, die den berühmt-berüchtigten Wiener Schmäh nicht treffender beschreiben könnte. Sagt eine ältere Dame beim Spaziergang zu ihrem Gatten: "Hast g'hört, Wien ist schon wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt worden." Erwidert der Mann hörbar gelangweilt: "Ah so. Woanders ist es halt noch g'schissener."
Drei Jahre durfte Wien ungeachtet all der Raunzerei am höchsten Podest des von der britischen Zeitschrift "The Economist" erstellten Rankings der lebenswertesten Städte der Welt thronen. Seit Dienstag ist es damit vorbei. Wien ist zwar noch Zweiter, wurde aber vom dänischen Kopenhagen von der Spitze verdrängt. Was zwangsläufig spöttische Kommentare auf digitalen Plattformen provozierte. "Oba de unfreindlichste stodt samma scho no, oda", fragte einer. Ein Zweiter tröstete sich: "Hauptsache besser wie die Deitschn".
Denn unter den Top Ten befindet sich nicht eine deutsche Stadt. Aus Europa ist nur noch die Schweiz vertreten - mit Zürich (ex aequo Zweiter mit Wien) sowie Genf (Platz fünf). Die restlichen Spitzenplätze gehen nach Australien (4. Melbourne, 6. Sydney, 9. Adelaide), Neuseeland (7. Auckland), Japan (7. Osaka) und Kanada (10. Vancouver).
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der im Vorjahr noch stolzerfüllt meinte, dass Wiens erster Platz kein Zufall sei, sondern "das Ergebnis verantwortungsvoller Politik", kommentiert nun: Auch der zweite Platz sei "eine eindrucksvolle Bestätigung für die Lebensqualität, die unsere Stadt bietet". Doch dann klang Ludwig für seine Verhältnisse fast ein wenig selbstkritisch und kämpferisch, als er meinte: "Unser Anspruch bleibt: Wien soll weltweit Maßstäbe in Sachen Lebensqualität setzen." Deshalb nehme man "Sicherheitsfragen sehr ernst" und arbeite gemeinsam mit der Polizei und den zuständigen Behörden daran, sich in diesem Bereich weiter zu verbessern.
Im sogenannten Global Liveability Index 2025 - erstellt von der Forschungs- und Analyseabteilung der Economist Group namens EIU (Economist Intelligence Unit) - werden 173 Städte anhand von 30 Indikatoren in verschiedenen Kategorien bewertet. Zentral sind etwa Stabilität, Gesundheit, Bildung, Umwelt und Infrastruktur. Und Wien verlor seinen Spitzenplatz vor allem wegen eines deutlich schlechteren Stabilitätswerts, der auch die Kriminalität oder Terrorgefahr untersucht. Statt des Topwerts von 100 Punkten im Vorjahr gab es diesmal nur noch 95. Im Bericht wird dies unter anderem mit den Anschlagsplänen auf das (kurzfristig abgesagte) Taylor-Swift-Konzert im Sommer 2024 begründet. In den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung und Infrastruktur erhielt Wien aber weiter Bestnoten.
Das kriegsgeplagte Kiew landet im Economist-Ranking übrigens auf Platz 165. Ganz hinten liegen Algier (Algerien), Karatschi (Pakistan), Dhaka (Bangladesch), Tripolis (Libyen) und Damaskus (Syrien).
Auch in einer zweiten Studie (Mercer), die die Lebensqualität aus der Sicht von Expats und Zugezogenen betrachtet, hat Wien zuletzt seinen über viele Jahre gehaltenen Topplatz abgeben müssen. Dort wurde Wien von Zürich überholt.