Der Fall Sigrid Maurer ging in Österreich durch die Medien. Sie war ÖH-Vorsitzende und Wissenschaftssprecherin und Nationalratsabgeordnete der Grünen. Im Mai 2018 machte sie eine obszöne Facebook-Nachricht sowie den Namen des Absenders öffentlich. Dieser wiederum verklagte sie wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und Kreditschädigung auf 60.000 Euro. Er gab an, die Nachricht nicht selbst verfasst zu haben und dass jeder, der seinen Betrieb betrete, als Urheber infrage käme. Maurer wurde im Oktober vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen übler Nachrede schuldig gesprochen und zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro und einer Entschädigung in Höhe von 4000 Euro verurteilt - nicht rechtskräftig. Am Donnerstagabend sagte sie bei der Veranstaltung "(Netz-)Gewalt und Widerstand" in der Arge Salzburg im Rahmen von FEMPOWA: "Ich stehe seit zehn Jahren in der Öffentlichkeit. Hassnachrichten sind etwas ziemlich Normales für mich."
Auch die Schweizerin Jolanda Spiess-Hegglin war zu Gast. Sie ist eine ehemalige Kantonsrätin der Grünen. Im Jahr 2014 besuchte sie eine Weihnachtsfeier. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fehlte ihr die Erinnerung an acht Stunden. "Ich habe vermutet, dass etwas passiert ist", sagte sie am Donnerstagabend. Bei ihr wurden zwei unterschiedliche DNA-Spuren gefunden, eine davon konnte einem SVP-Politiker zugeordnet werden. Ein Nachweis von Drogen im Blut konnte nicht erbracht werden, dafür war zu viel Zeit vergangen. Am 24. Dezember 2014 dann machte die auflagenstärkste Boulevardzeitung der Schweiz den Fall und ihren Namen gegen ihren Willen öffentlich. Und Spiess-Hegglin wurde plötzlich vom Opfer zur Täterin. Es begann eine Medienhetzjagd, sie wurde im Netz angefeindet und bedroht. "Ich war die erste Person in der Schweiz, die durch die sozialen Medien gejagt wurde", sagt die Mutter dreier Kinder. "Es war eine schwierige Zeit. Aber zum Glück ist mein Mann ein ganz, ganz strammer Feminist." Auch in ihrem Fall klagte der Politiker. "Die Staatsanwaltschaft hielt fest, dass ich davon ausgehen durfte, Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden zu sein." Und sie sagt: "Ich habe nichts falsch gemacht." Trotz aller Widerstände und enormen Kraftaufwands ließen sich weder Maurer noch Spiess-Hegglin durch Hassbotschaften zum Schweigen bringen. Im April beginnt ein Prozess, in dem Spiess-Hegglin die Schweizer Boulevardzeitung "Blick" klagt - sie will, dass ihr das Medium den Gewinn überlasst, der mit ihrer Geschichte erwirtschaftet wurde. Außerdem gründete die Schweizerin den Verein #NetzCourage und verklagte bisher rund 200 Personen, die ihr Hassbotschaften geschickt hatten. Dabei trifft sie auch immer wieder persönlich auf Hassposter. Manche davon seien mittlerweile Mitglieder in ihrem Verein, erklärt sie.
Maurers Fall geht in die nächste Instanz. "Wenn nötig, gehen wir bis zum Europäischen Gerichtshof." Außerdem macht sie sich für eine Gesetzesänderung stark und rät Betroffenen, sich beim Verein ZARA Hilfe zu suchen. Dazu kommt: "Es bräuchte eigene Staatsanwälte für Hass im Netz." Das von der Regierung vorgeschlagene digitale Vermummungsverbot lehnt sie ab. Dabei müssten sich Internetnutzer etwa mit ihrer Sozialversicherungs- oder Telefonnummer registrieren. In Südkorea sei das so gemacht worden. "Mit der Folge, dass die Daten von 30 Millionen Menschen auf dem Schwarzmarkt gelandet sind."
Am Podium saß auch die deutsche Politologin und Netzaktivistin Anne Roth. Sie sagte, digitale Gewalt sei mehr als Hasspostings oder Cybermobbing und warnte explizit vor Spionageapps, mit deren Hilfe etwa E-Mails mitgelesen werden könnten. "Diese Apps sind im Netz nicht schwer zu finden und werden so beworben: ,Wenn du wissen willst, was deine Freundin macht, wenn du nicht dabei bist.'" Roth bezeichnet dies als die "digitale Fortsetzung von häuslicher Gewalt". Sie warnt auch vor der Möglichkeit, sich Zugriff auf Webcams zu verschaffen. "Mitschnitte können für Erpressung und Nötigung verwendet werden." Daher rät sie zu einem sorgsamen Umgang mit den eigenen Daten und Geräten.