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"Der Kreis hat sich geschlossen": Treffen mit dem Lebensretter nach Stammzellenspende

Helmut Bruckner erkrankte an Leukämie und überlebte dank einer Stammzellenspende. Er kämpfte sich zurück ins Leben. Nun hat er seinen genetischen Zwilling zum ersten Mal getroffen.

Die genetischen Zwillinge bei ihrem ersten Treffen: der Steirer Helmut Bruckner (links) und Marcus Ziegler aus Deutschland.
Die genetischen Zwillinge bei ihrem ersten Treffen: der Steirer Helmut Bruckner (links) und Marcus Ziegler aus Deutschland.

Akute Leukämie - die schreckliche Diagnose kam für den Steirer Helmut Bruckner im März 2016. "In Krankenhaus wurde mir klipp und klar gesagt, dass mir nur noch wenige Wochen bleiben", sagt der heute 49-Jährige den SN. Eine Stammzellenspende war unumgänglich. Im Durchschnitt beträgt die Wahrscheinlichkeit, einen passenden, nicht verwandten Spender zu finden rund 1:500.000. Doch Helmut Bruckner hatte Glück.

Der Deutsche Marcus Ziegler hatte sich schon ein Jahr zuvor als Stammzellenspender typisieren lassen. "Als dann die Nachricht kam, dass es jemanden gibt, der Hilfe benötigt, war das für mich gar keine Frage, eine Stammzellenspende durchzuführen", sagte er. In den meisten Fällen werden die Stammzellen - ganz vereinfacht gesagt - aus dem Blut gefiltert. Dafür liegt man etwa 4,5 Stunden im Spital und wird an einen Zellseparator angeschlossen. In etwa 20 Prozent der Fälle ist eine Knochenmarkspende notwendig. Die Entnahme der Blutstammzellen erfolgt über die Punktion des Beckenkamms.

Im Krankenhaus habe er gehört, dass der Empfänger ein etwa gleichaltriger Österreicher und Vater zweier Kinder sei. "Im Prinzip wie meine eigene Situation", sagt Marcus Ziegler. Für ihn sei klar gewesen, dass er seinen genetischen Zwilling auf jeden Fall kennenlernen wolle. In Österreich müssen allerdings Fristen eingehalten werden, bis sich Spender und Empfänger kennenlernen können, wenn sie das möchten. Im Fall der beiden Männer betrug diese fünf Jahre. In dieser Zeit schrieben sie sich anonymisierte Briefe. Helmut Bruckner begann seine mit: "Servus, mein genetischer Zwilling!" Schon während des Briefwechsels hätten sie bemerkt, dass sie ähnlich tickten. Als die Frist abgelaufen war, konnten sie sich endlich persönlich in einem Hotel in Tirol treffen. "Es war wie ein Blind Date", sagt der Steirer. Denn es hätte ja auch gut sein können, dass man sich gar nicht verstehe. Aber: "Wir haben wirklich viele Gemeinsamkeiten", erklärt Marcus Ziegler. Schon aus diesem ersten Kontakt ist eine Freundschaft entstanden. "Er sagt: ,Hallo, Bruder' zu mir", erzählt Helmut Bruckner. Auch die Frauen und Kinder der beiden verstehen sich sehr gut. Im August fuhren die Familien sogar gemeinsam für ein paar Tage nach Kroatien. "Wenn man zweieinhalb Wochen nach dem ersten Kennenlernen schon in den Urlaub fährt, zeigt das viel Schönes", sagt Marcus Ziegler. Helmut Bruckner empfindet große Sympathie und "tiefe Dankbarkeit" für seinen Lebensretter. Der sagt: "Ich weiß schon, was ich gemacht habe, aber wenn man weiß, was Helmut durchgemacht hat, das ist unvorstellbar."

Hinter Helmut Bruckner und seiner Familie liegen harte Jahre. "Unter der Situation haben alle gelitten", sagt er. Zum Zeitpunkt der Diagnose waren seine Söhne sechs und neun Jahre alt. Als er das Krankenhaus verließ, wog er nur noch 57 Kilogramm. Doch er kämpfte sich zurück. "Dass ich heute hier sitze und darüber rede, ist nicht selbstverständlich." Auf der Internetseite der österreichischen Leukämiehilfe Geben für Leben schreibt seine Frau über das bewegende Treffen mit Marcus Ziegler unter dem Titel "Der Kreis hat sich geschlossen". Darin heißt es: "Der Weg zurück ins Leben war für meinen Mann sehr schwierig, aber mit sehr guter ärztlicher Betreuung der Hämatologie des LKH Graz, großer Unterstützung der Familie und Freunde, viel Geduld, Disziplin, eisernem Willen und mentaler Stärke gelang dies."

Eine Sache liegt ihnen allen besonders am Herzen: Sie rufen dazu auf, sich typisieren zu lassen. Daher ist Helmut Bruckner - neben der Weiterbildung für seinen neuen Job bei den ÖBB - derzeit auch damit beschäftigt, in seinem Heimatbezirk am 2. Oktober eine Typisierungsaktion für Geben für Leben auf die Füße zu stellen. Davor feiert er im September seinen 50. Geburtstag. Der Erste, der eine Einladung erhielt, war sein genetischer Zwilling. "Ich möchte, dass er an meinem Leben teilnimmt."