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Deutschland forscht federführend am Coronaimpfstoff

Biontech in Mainz und CureVac in Tübingen sind zwei von drei Spitzenreitern, die eine gentechnische Abkürzung suchen.

Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 ist derzeit eines der gefragtesten Produkte der Welt. Gut drei Dutzend Labors in Firmen und Universitäten arbeiten daher an verschiedenen Methoden zur Entwicklung eines passenden Wirkstoffs. Besonders aufmerksam verfolgt man drei Unternehmen, die eine gentechnische Abkürzung zum Impfstoff suchen. Zwei dieser Biotechfirmen kommen aus Deutschland: Biontech in Mainz und CureVac in Tübingen.

Beide Unternehmen sind vergleichsweise jung und von Anfang an als Spezialisten für den Umgang mit Boten-Ribonukleinsäure gegründet, die im Fachjargon als mRNA abgekürzt wird. Dabei handelt es sich um genetische Information in Form eines Strangs von Molekülen. Sowohl Biontech als auch CureVac sind also keine klassischen Impfstoffspezialisten, sondern sie suchen nach zahlreichen Anwendungen für ihre Grundidee, mit den Botenmolekülen nützliche Reaktionen im Körper auszulösen. Ihr Konkurrent mit ähnlichem Profil sitzt in den USA. Die Firma Moderna aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts arbeitet ebenfalls mit Hochdruck an einer Coronaimpfung auf Basis von mRNA.

Biontech wolle bereits Ende April erste Wirkstoffe an Menschen testen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Um den Tübinger Rivalen CureVac hatte es am Wochenende große Aufregung gegeben. Die US-Regierung wollte das Unternehmen offenbar kaufen, um den Impfstoff exklusiv für sich zu behalten. Die Empörung darüber legte sich, als der Haupteigner des Unternehmens klarstellte, dass ein Ausverkauf an die Amerikaner nicht infrage kommt. Es handelt sich bei diesem aufrechten Bürger um niemand anderen als Dietmar Hopp: Der 79-Jährige war 1972 einer der Mitgründer der bekannten Softwarefirma SAP. Zuletzt legte Hopp mit nach: CureVac werde bis Herbst einen Impfstoff fertig haben.

Die Entwicklung eines Impfstoffs in nur etwas über einem halben Jahr wäre ein Rekord und eine Sensation. Möglich ist dieses ehrgeizige Ziel durch die mRNA-Technik. Die Forscher nutzen dafür eine der Grundideen des Lebens auf unserem Planeten. Alle Zellkerne stellen mRNA her, um der Maschinerie im Rest der Zelle zu sagen, welche Substanzen sie herstellen soll. Die Boten-Ribonukleinsäure ist ein Bauplan für Moleküle, die eine Zelle herstellen kann. Viren nutzen diesen Mechanismus aus. Sie schleusen ihre eigene RNA in die Zelle ein. Statt sinnvoller Bausteine für den Körper stellen sie neue Viren her.

Die moderne Pharmazie ist nun dabei, vielversprechende Anwendungen für mRNA zu finden. Die Idee ist stets, den Körper des Patienten die Hauptarbeit machen zu lassen und das Heilmittel selbst herzustellen. Erst vor wenigen Jahren ist klar geworden, dass sich die Botenmoleküle auch für die Herstellung von Impfstoffen eignen. Studien haben bereits belegt, dass das absolut möglich ist und die entstehenden Mittel sicher und wirksam sind.

Das Ziel aller Impfstoffe ist es, den Immunzellen im menschlichen Körper den Erreger zu zeigen. Diese können sich dann auf sein reales Eintreffen vorbereiten. Herkömmliche Impfstoffe gegen Grippe werden beispielsweise hergestellt, indem die Pharmafirma erst große Mengen an Viren züchtet, diese dann abtötet und zusammen mit etwas Flüssigkeit in Ampullen füllt. Ausgangspunkt war also immer ein normales, vollwertiges Grippevirus.

Die Methode auf Basis von mRNA geht anders vor. Ausgangspunkt sind Stücke von mRNA, die den Bauplan für ein Bruchstück des Virus bilden. Den Botenstoff hüllen die Wissenschafter in Gebilde aus Fettmolekülen. Hier liegt das besondere Geheimwissen von Biontech, CureVac und Moderna. Sie haben Verfahren, um empfindliche mRNA so einzukapseln, dass sie sich spritzen lässt. Ohne die schützende Hülle würde der Wirkstoff im Blut des Patienten sofort zerfallen.

Mit der Hülle hat es aber noch eine zweite Bewandtnis. Sie ist so gebaut, dass sie mit der Wand menschlicher Zellen reagiert. Der Effekt: Sie schleust die Boten-RNA in die Zelle ein. Diese beginnt nun, den empfangenen Bauplan auszulesen, und stellt eifrig die beschriebenen Moleküle her. Dabei handelt es sich nun um originalgetreue Bruchstücke des Virus. Im aktuellen Fall wären das beispielsweise Hüllenbestandteile von SARS-CoV-2.

Statt also die Impfsubstanz in Hühnereiern heranzuzüchten wie bei der Grippeimpfung, regt der neuartige Wirkstoff den Körper an, sie selbst herzustellen. Die eigenen Zellen werden überredet, Bruchstücke des Feindes herzustellen. Das Immunsystem identifiziert diese Virenteile als potenziell gefährlich. Es bildet Antikörper. Fortan ist es gegen Covid-19 gewappnet.