SN.AT / Panorama / Österreich

EU-Richter: Jagd auf den Wolf bleibt in Österreich verboten

Das Wolfsjagdverbot in Österreich ist gültig. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil entschieden. Umwelt- und Tierschutzorganisationen wie der WWF hatten gegen einen Bescheid geklagt, mit dem das Land Tirol den Abschuss eines Wolfes im Jahr 2022 erlaubt hatte. Nun muss das Landesverwaltungsgericht Tirol in dem Fall noch konkret entscheiden. Die Reaktionen fallen recht unterschiedlich aus.

Der Wolf genießt in Österreich weiter den strengen Schutz der EU-Habitatrichtlinie, urteilte der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Tirol.
Der Wolf genießt in Österreich weiter den strengen Schutz der EU-Habitatrichtlinie, urteilte der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Tirol.

"Eine Ausnahme vom Verbot der Wolfsjagd zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist", erklärte der EuGH zu dem Urteil.

Mehrere Fragen vorgelegt

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte laut EuGH die Gültigkeit des strengen Schutzes für den Wolf nach der EU-Habitatschutzrichtlinie aus dem Jahr 1992 angezweifelt und dem Gerichtshof mehrere Fragen vorgelegt, damit der EuGH die Voraussetzungen zur Lockerung des Schutzes für den Wolf festlege. "Die Prüfung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des strengen Schutzes der Wölfe in Österreich beeinträchtigen könnte", so der EuGH in seiner Mitteilung am Donnerstag. Mit dem Urteil folgte das Gericht auch dem Gutachten der Generalanwältin Tamara Capeta, die sich Anfang des Jahres dafür ausgesprochen hatte, den strengen Schutzstatus des Wolfs in Österreich aufrechtzuerhalten.

EuGH legt strenge Bedingungen für Ausnahmen fest

Gleichzeitig legte der EuGH mehrere Bedingungen fest, damit sich am geltenden Jagdverbot auf den Wolf in Österreich etwas ändern könnte, um ernste Schäden in der Tierhaltung vermeiden zu können: "Die Wolfspopulation muss sich in einem günstigen Erhaltungszustand sowohl auf lokaler (im Land Tirol) als auch auf nationaler Ebene (Österreich) befinden, was nicht der Fall ist. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, müsse man sich vergewissern, dass das auch auf grenzüberschreitender Ebene gilt. Konkret nennt der EuGH hier die Nachbarstaaten Schweiz und Liechtenstein, denn wie Österreich seien auch diese Länder an das Übereinkommen von Bern zur Erhaltung der Lebensräume der wildlebenden Pflanzen und Tiere in Europa gebunden, das 1979 geschlossen wurde.

Indirekte Schäden wie Betriebsauflassungen reichen EuGH nicht für Abschuss

Zum Thema Schäden schreibt der EuGH, dass "ernste Schäden zumindest weitgehend einem bestimmten Tierexemplar zuzuschreiben sein müssen", um ausnahmsweise einen Abschuss zu erlauben. Indirekte Schäden wie Betriebsauflassungen oder die Reduktion des Nutztierbestandes "reichen nicht aus", so die EU-Richter in Luxemburg.

"Almschutzmaßnahmen können nicht ausschlaggebend sein"

Zusätzlich seien Almschutzmaßnahmen wie Zäune, der Einsatz von Hirtenhunden oder die Begleitung der Herden durch Hirten zu berücksichtigen, doch diese allein "können nicht ausschlaggebend sein". Eine anderweitige zufriedenstellende Lösung "gibt es nicht", stellt der Europäische Gerichtshof fest. Zudem "müssen die anderweitigen Lösungen gegen das allgemeine Ziel der Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation abgewogen werden".

Umweltorganisationen sehen eine Stärkung des Artenschutzes

Die Kläger in dem Verfahren, der WWF und das Ökobüro, ein Zusammenschluss von Umweltschutzorganisationen in Österreich, bewerteten das EuGH-Urteil als Stärkung des Artenschutzes. "Das ist eine wichtige Klarstellung: Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf gehen gelindere Mittel wie der Herdenschutz vor. Der Abschuss darf nur das letzte Mittel sein", erklärt WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler. Laut EuGH seien die Umweltprüfungen in Österreich völlig unzureichend und damit viele Abschüsse rechtswidrig. WWF und Ökobüro fordern daher, umgehend mit einer Herdenschutz-Offensive zu beginnen. "Die Politik muss endlich von ihren populistischen Scheinlösungen abrücken und heimische Landwirte umfassend beim Herdenschutz unterstützen", sagt Pichler.

Ökobüro fordert: "Flächendeckendes Monitoring statt Zufallsnachweise"

Gregor Schamschula, Umweltjurist beim Ökobüro, ergänzt: "In vielen Bundesländern werden derzeit weder Einzelfallprüfungen noch ordnungsgemäße Alternativenprüfungen durchgeführt." Auch der Erhaltungszustand des Wolfes in Österreich sei nicht ausreichend bekannt, "weil es kein flächendeckendes Monitoring gibt und man hierzulande statt auf aktive Erfassungen der Wolfsvorkommen auf Zufallsnachweise setzt. Dieses Vorgehen ist laut EuGH klar rechtswidrig und muss umgehend gestoppt werden."

Bauernbund und Landwirtschaftskammer: Österreichs Weg wurde bestätigt

Völlig konträr fiel die erste Reaktion des ÖVP-Bauernbundes und der Landwirtschaftskammer aus. LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger erklärte: "Der EuGH hat Österreichs bzw. Tirols eingeschlagenen Weg des Wolfsmanagements somit erneut anerkannt. Damit müssen zukünftig auch NGOs wie der WWF anerkennen, dass Entnahmen unter gewissen Voraussetzungen rechtlich abgesichert sind und ihre ständigen Anzeigen keinen Erfolg bringen." Zu den Voraussetzungen, die für Entnahmen gegeben sein müssen, zählten etwa das Vorliegen von Problemwölfen und dass Herdenschutzmaßnahmen unzumutbar bzw. unverhältnismäßig seien. "Wer die Kleinstrukturiertheit der heimischen Alm- und Weidewirtschaft, die Besiedelungsdichte und den in keiner Relation zu den Erlösen stehenden Kosten- und Arbeitsaufwand kennt, der mit Herdenschutzmaßnahmen wie etwa Herdenschutzhunden verbunden wäre, der weiß, dass diese Voraussetzungen in unseren Breiten allemal gegeben sind", so Moosbrugger. Kritik über der Landwirtschaftskammerpräsident an den anderen EU-Staaten: "Parallel dazu wäre wichtig, dass die EU-Umweltminister endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und die angesichts der hohen Wolfs-Populationsdichte in Europa überfällige Änderung des Schutzstatus zulassen."

Europarechtsexperten sagen: "Weitere Wolfsabschüsse sind unzulässig"

Ganz anders beurteilten das Europarechtsexperten. Von einem faktischen Abschussverbot sprach Walter Obwexer von der Universität Innsbruck. "Ich gehe davon aus, dass die Verordnungen für die Entnahme von Problemwölfen in Tirol so nicht aufrechterhalten werden können", wurde er von der "Tiroler Tageszeitung" (Online-Ausgabe) zitiert. Die Landespolitik in Tirol habe erwartet, dass man den guten Erhaltungszustand vielleicht generell auf den Alpenbogen aufweicht. "Aber es wird sogar auf Tirol heruntergebrochen, wo der Erhaltungszustand eben schlecht ist", sagte Obwexer. Dass für Abschüsse der Erhaltungszustand sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene günstig sein müsse und bei Vorhandensein dieser Faktoren ein solcher grenzüberschreitend zu prüfen sei, komme einem faktischen Abschussverbot gleich. Auch der Vorstand des Instituts für Europarecht der Johannes-Kepler-Universität Linz, Franz Leidenmühler, sagte zur APA, in Österreich dürften keine Wölfe mehr geschossen werden. Ansonsten könnte Österreich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren drohen.