Das Gesundheitssystem in Österreich sei angesichts der Coronapandemie "jetzt vollkommen ausgelastet." Das sagte Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, am Samstag bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. "Die Zahlen müssen runter, das ist sonst nicht zu schaffen." Sie gab auch die Belastung des Personals in Spitälern zu bedenken: "Eine Zeit lang kann man das System ausdehnen, doch das geht auf Kosten des Personals."
Experten warnen: Volle Intensivstationen
Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich (GÖG), gab eine Prognose: Es sei weiterhin ein Fallanstieg zu beobachten, mit Ende dieser Woche liege Österreich bei durchschnittlich mehr als 8000 Neuinfektionen pro Tag. Derzeit liegen 584 Personen auf Intensivbereichen, mehr als 4000 auf Normalstationen. Bis Mitte nächster Woche würde die Anzahl der Intensivpatienten auf 700 steigen. "Ein Rückgang kann erst dann erzielt werden, wenn auch die Neuinfektionen rückläufig sind." Alle Bundesländer hätten über den Sommer Stufenpläne entwickelt, wie Coronapatienten versorgt werden und wie Reserven im System aktivieren werden könnten. "Einige Bundesländer greifen bereits auf ihr Reservepotenzial zurück. Daher ist es dringend erforderlich, rasch und gemeinsam eine Trendwende zu erzielen."

Das bestätigte auch Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI): "Wir haben volle Intensivstationen, wir gehen in ein veritables Problem." Er appellierte zudem, die Corona-Maßnahmen mitzutragen. Das liege im Interesse aller, die erkranken oder sich verletzen würden und somit intensivmedizinische Behandlung bräuchten. "Wir befinden uns in einem Stadium, in dem wir anfangen müssen, Verschiebungen vorzunehmen und beginnen zu überlegen, wie wir unsere Ressourcen einteilen."
Rund 2.000 Intensivbetten gibt es in Österreich, Schwankungen von zehn Prozent können bereitgestellt werden. Wenn allerdings mehr als ein Drittel der Betten mit Covid-19-Patienten belegt sind - derzeit sind es rund 27 Prozent - beginne die Triage, also der vorrangigen Behandlung jener, die bessere Chancen auf Genesung hätten. Triage heiße, zu entscheiden, welche Person mit welchen Ressourcen behandelt werde, erläuterte Markstaller.
Zudem gehe es nicht nur um die Anzahl der Betten, Intensivmediziner könnten nicht innerhalb weniger Monate ausgebildet werden. Ärztinnen und Pflegepersonal, das unter Anleitung mithilft, würden bereits zusätzlich für die Versorgung der Corona-Patienten herangezogen werden.
Rabady: "Infektion nicht einfach daheim auskurieren"
Die Medizinerin Susanne Rabady warnte zudem, eine Infektion nicht unbehandelt zu lassen. Die Symptome würden sich bei den Infizierten stark unterscheiden. Die Erkrankung einfach zuhause auszukurieren, sei daher nicht ratsam. So könne zum einen die Kontaktverfolgung nicht gewährleistet werden. Und zum anderen könne sich zwischen Tag fünf und zehn nach der Infektion der Zustand deutlich verschlechtern. "Melden Sie sich nicht erst, wenn der Zustand schon an der Kante ist - und wir vielleicht nicht mehr garantieren können, Sie intensivmedizinisch betreuen zu können", sagte Rabady. Chronisch Kranke bat sie zu Vorsicht: Man solle sich schützen, seinen Gesundheitszustand beobachten und Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Rabady gab auch einen zumindest kleinen positiven Lichtschimmer mit auf den Weg: "Die Pandemie wird vorübergehen." So sei es noch bei jeder Pandemie der Geschichte gewesen.
Die türkis-grüne Bundesregierung hat zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie am Samstag einen harten Lockdown verkündet, der ab Dienstag, 17. November gilt. Details zu den Maßnahmen lesen Sie hier.
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