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Neonazi-Szene: 25 Hausdurchsuchungen in fünf Bundesländern - sechs Verdächtige in Salzburg

Am Dienstag kam es zu einem konzertierten Großeinsatz des Verfassungsschutzes gegen führende Köpfe der rechtsextremen Szene, darunter Gottfried Küssel. Schauplatz war auch Salzburg.

Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.
Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.
Küssel im Jahr 2013 vor Beginn des Prozesses gegen ihn am Wiener Straflandesgericht.
Küssel im Jahr 2013 vor Beginn des Prozesses gegen ihn am Wiener Straflandesgericht.
Die Polizei durchsuchte Küssels Haus am Dienstag. Das Bild zeigt Küssel im Justizpalast in Wien im Jänner 2014. Küssel war wegen Wiederbetätigung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Die Polizei durchsuchte Küssels Haus am Dienstag. Das Bild zeigt Küssel im Justizpalast in Wien im Jänner 2014. Küssel war wegen Wiederbetätigung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.
Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.
Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.
Hausdurchsuchung in Wien am Dienstag.

Der Dienstag begann für eine Gruppe mutmaßlicher Neonazis früh. Die Polizei schlug in fünf Bundesländern in den Morgenstunden gleich mehrfach zu: Im Visier hatten die Ermittlerinnen und Ermittler Köpfe der österreichischen rechtsextremen Szene. Insgesamt 17 Verdächtige seien wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen das Verbotsgesetz ausgeforscht worden - darunter 16 Männer und eine Frau im Alter zwischen 18 und 67 Jahren. Schauplatz der Razzien waren Salzburg, die Steiermark, Nieder- und Oberösterreich sowie Wien.

Der Fokus der Schwerpunktion lag auf "hochrangigen Führungspersönlichkeiten der Szene der Alten Rechten", teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Von 25 Hausdurchsuchungen fanden acht Zugriffe im Bundesland Salzburg statt - bei denen wiederum sechs Verdächtige ausgeforscht wurden. Die Aktion wurde durch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) koordiniert und geleitet - im Auftrag der Staatsanwaltschaften Wien und Salzburg.

Großaufgebot in Wien: Polizei durchsuchte Vereinslokal

In der Bundeshauptstadt dürfte der Fokus der Beamten auf einem besonders prominenten Verdächtigen gelegen haben: dem mehrfach verurteilten Neonazi Gottfried Küssel. Die Plattform "Stoppt die Rechten" berichtete Dienstagfrüh zuerst über das Polizeigroßaufgebot vor der Wohnadresse des 67-Jährigen im zweiten Bezirk. In dem Gebäudekomplex soll auch ein rechtsextremer Verein untergebracht sein. Fotos zeigen, dass nicht zuletzt Beamte des Entschärfungsdienstes vor der Adresse im Einsatz waren. Die Beamten dürften also zumindest den Verdacht gehabt haben, dass dort Sprengstoff zu finden sei.

Laut Innenministerium handelt es sich bei dem Vereinslokal seit Jahren um einen bekannten Treffpunkt der organisierten rechtsextremen Szene. "Es wird davon ausgegangen, dass sich die Personen dort im nationalsozialistischen Sinne betätigt und ihr nationalsozialistisches Weltbild ausgelebt haben. Zudem sollen sie nationalsozialistisches Gedankengut mit anderen Personen geteilt und propagiert haben", teilte das Ministerium mit. Die Beamten fanden bei den Hausdurchsuchungen teilweise noch funktionstüchtige Waffen, Munition, Datenträger und Propagandamaterial. Bei den NS-Devotionalien handelte es sich demnach um Schriften, Bilder, Bücher, Kleidungs- und Möbelstücke.

Anwalt: "Herr Küssel hatte in dem Verein keine Funktion mehr inne"

Ob das inkriminierte Material auch tatsächlich an der Adresse Küssels und des Vereins gefunden wurde, blieb am Dienstag noch unbeantwortet.

Keiner der Verdächtigen wurde bisher festgenommen. Dies könne erst auf Anordnung der Staatsanwaltschaft geschehen, teilte das Ministerium mit. Zuerst müsste das Material durch die Ermittler ausgewertet werden. Auf die Hausdurchsuchung an Küssels Adresse ging Karner in seiner Stellungnahme nicht ein.

Küssels Rechtsanwalt, Michael Dohr, bestätigte den SN jedoch die Aktion. Seinem Mandanten werde unter anderem vorgeworfen, SS-Lieder gesungen, mit "Heil" gegrüßt und "über die SS im Wirtschaftssystem gesprochen" zu haben. Er betonte: "Inwiefern jedoch eine Strafbarkeit vorliegt, ist nicht ersichtlich." Im Zusammenhang mit dem Verein an Küssels Wohnadresse teilt Dohr mit: "Herr Küssel hat in dem Verein keine Funktion mehr inne. Deshalb könne man ihm ,etwaiges strafbares Verhalten von dort Anwesenden' nicht zurechnen." Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Mehrfach verurteilt: Wer ist Gottfried Küssel?

Gottfried Küssel ist einer der bekanntesten Neonazis in Österreich und gilt als Schlüsselfigur der deutschsprachigen rechtsextremen Szene. Der 67-Jährige gründete 1986 die "Volkstreue außerparlamentarische Opposition" (Vapo), die laut dem Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) "wohl gefährlichste (weil gewalttätigste und größte) Neonazigruppe in der Geschichte der Zweiten Republik". In ihrer Blütezeit Ende der 1980er-Jahre verfügte die Vapo über einen Kaderstamm von fast 100 Neonazis "sowie über einen Sympathisanten- und Förderkreis von rund 500 Personen".

Küssel wurde mehrfach wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt und saß jahrelang in Haft. Er galt als Mitverantwortlicher des früheren einschlägigen Blogs "Alpen-Donau.info", wie es im Rechtsextremismusbericht heißt. Zuletzt hatte er in ganz anderer Angelegenheit eine juristische Niederlage erlitten: Anfang des Monats ist sein Versuch, einen neuen Reisepass ausgestellt zu bekommen, endgültig gescheitert. Ein letztes Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof blieb ohne Erfolg. Im Zusammenhang mit seiner letzten Verurteilung wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung waren ihm 2016 Pass und Personalausweis entzogen worden.

Karner: "Konsequenz und Nachhaltigkeit gegen diese Extremisten"

"Diese Schwerpunktaktion unterstreicht: Egal ob Islamisten oder Rechtsextreme, der österreichische Staatsschutz kämpft mit aller Konsequenz und Nachhaltigkeit gegen diese Extremisten", sagte Innenminister Gerhard Karner. "Der Rechtsextremismus zählt in Österreich zu den größten Bedrohungen für unsere Demokratie. Der heutige Joint Action Day verdeutlicht, dass wir mit aller Konsequenz gegen Extremistinnen und Extremisten vorgehen: Nicht nur die Basis, sondern insbesondere die Führungsriege rechtsextremer Gruppierungen steht im Fokus der Sicherheitsbehörden", betonte Staatssekretär Jörg Leichtfried.

Bei der Schwerpunktaktion waren die DSN und die LSE Wien und Niederösterreich im Einsatz - gemeinsam mit dem Einsatzkommando Cobra, dem Landeskriminalamt Wien und Niederösterreich, der Diensthundeeinheit Wien und Niederösterreich, sprengstoffkundigen Organen aus Wien, Niederösterreich und des Verfassungsschutzes sowie der Bereitschaftseinheit.