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Warum Unfälle mit E-Scootern und E-Bikes stark zunehmen

Fast jeder zweite Verletzte, der nach Verkehrsunfällen in Österreichs Spitälern behandelt wird, verunglückte mit Fahrrad, E-Bike oder E-Scooter. Fachleute propagieren eine Helmpflicht.

Mit E-Rollern verunfallen jedes Jahr Tausende Menschen in Österreich.
Mit E-Rollern verunfallen jedes Jahr Tausende Menschen in Österreich.

Die Halbjahreszahlen von Innenministerium und Statistik Austria, die das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) dieser Tage veröffentlichte, waren alarmierend: Im Vergleich zur Mitte des Jahres 2024 hat sich die Zahl der tödlichen Unfälle mit Rädern, E-Bikes und E-Scootern verdoppelt. Die 26 Todesopfer in diesen Kategorien machen 16 Prozent aller 162 Getöteten bei Verkehrsunfällen im ersten Halbjahr 2025 aus.

Verletzte bei E-Scooter-Unfällen: "16 Prozent waren alkoholisiert"

Auch bei den Verletztenzahlen ist die Entwicklung ähnlich. Im Vorjahr mussten 9800 Personen nach E-Bike-Unfällen in Spitälern behandelt werden. Weitere 7500 Menschen ereilte dasselbe Schicksal nach einem Unfall mit einem E-Scooter. Bei den kleinen Elektrorollern mit den winzigen Rädern sei die Entwicklung besonders krass, schildert Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV: "Im Jahr 2019 waren es erst 1200 Verletzte, die im Spital behandelt werden mussten." Auffällig sei auch der Anteil der Betrunkenen dabei. Robatsch: "16 Prozent waren alkoholisiert, das ist ein sehr hoher Wert." Vier von fünf Unfällen mit E-Scootern sind Alleinunfälle, was heißt, dass es keine weiteren Beteiligten gibt. Anhand von Befragungen, die das KFV stichprobenartig bei Betroffenen durchführt und hochrechnet, zeigt sich ein klares Bild: Als Hauptunfallursachen geben die Betroffenen selbst die falsche Einschätzung der Fahrverhältnisse bzw. der Bodenbeschaffenheit, zu hohes Tempo und Ablenkung an. Robatsch dazu: "Mit kleinen Rädern rutscht man schneller weg, die Lenkung greift schneller."

Insgesamt verletzen sich in Österreich jedes Jahr etwa 96.000 Menschen bei Verkehrsunfällen so schwer, dass sie in Spitalsbehandlung müssen. "48 Prozent davon entfallen auf Fahrrad, E-Bike und E-Scooter, obwohl die Verkehrsleistung in diesem Bereich deutlich unter zehn Prozent liegt", sagt KFV-Experte Robatsch.

Nach aktuellen Umfragen geben 45 Prozent der Menschen an, dass E-Scooter zu Problemen und Spannungen im Straßenverkehr beitragen - vor allem im städtischen Bereich. Anfangs galten E-Scooter als Spielzeug, daher durften die Fahrer damit keine Straßen benutzen, sondern nur die Gehsteige. Das änderte sich 2019. Seither sind E-Scooter prinzipiell Fahrrädern gleichgestellt und gefahren werden muss auf Radwegen oder Radfahrstreifen, sofern vorhanden. In der Praxis wird das aber oft missachtet, was häufig Konflikte mit Fußgängern provoziert.

"Der normale Mountainbiker ist quasi eine aussterbende Spezies"

Für Klaus Robatsch zeigen die Zahlen insgesamt, dass es bei den E-Scootern gesetzliche Maßnahmen braucht. Neben einer Helmtragepflicht sollte eine zweite Bremse wie bei Fahrrädern vorgeschrieben werden und die Bauartgeschwindigkeit von 25 auf 20 km/h wie in Deutschland und in der Schweiz gesenkt werden.

E-Bike-Fahrer und vor allem Unfälle mit diesen schweren Rädern rückten auch beim Kuratorium für alpine Sicherheit in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus. Präsident Peter Paal, er ist Primar für Anästhesie und Intensivmedizin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Stadt Salzburg, sagt: "Inzwischen sind 80 bis 90 Prozent der Radfahrer in den Bergen E-Bike-Fahrer. Der normale Mountainbiker ist quasi eine aussterbende Spezies." E-Bike-Unfälle würden von der Alpinpolizei erst seit 2024 extra erfasst, aber es zeige sich ein klarer Anstieg. Mit einem E-Bike seien meist eher ältere und im Schnitt weniger fitte Menschen mit "Rennmaschinen in ungewohntem Gelände unterwegs", so Paal. Bei den Verletzungen dominieren Kopf- und Schulterverletzungen mit 30 Prozent, gefolgt von Blessuren an den Armen mit 20 Prozent.

Helmpflicht für E-Biker und E-Roller-Fahrer?

Eine Helmpflicht fordert das Kuratorium für alpine Sicherheit nicht, sondern appelliert an die Eigenverantwortung. Paal verweist aber auf Länder mit Helmpflicht wie Australien, Neuseeland oder in Skandinavien: "Dadurch kann die Zahl der schweren Kopfverletzungen um mehr als 80 Prozent reduziert werden", so der Mediziner. Man hoffe auf eine Entwicklung wie beim Skifahren, wobei kaum noch Leute ohne Helm unterwegs sind. Die meisten Radunfälle in den Bergen ereigneten sich in den Funparks und auf ausgewiesenen Singletrails, sagt Paal.

Die Unfallstatistiken beider Kuratorien zeigen, dass rund zwei Drittel der verletzten E-Biker Männer sind. Ein Drittel der Verletzten ist älter als 65 Jahre, bei den Toten sind sogar zwei Drittel Senioren. Jedes Jahr sterben in Österreichs Bergen im Zehnjahresmittel neun Menschen. Laut Paal erliegt die Hälfte bei der Auffahrt Herz-Kreislauf-Problemen, die andere Hälfte stirbt nach Stürzen bei der Abfahrt.