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Ahnenforschung: Wie man auf prominente Vorfahren stoßen könnte

Immer mehr Leute beschäftigen sich mit ihren Vorfahren - unterstützt von Profis. Ahnenforschung ist aber längst nicht nur ein Fall für Historiker.

Die Ahnentafel von Christian Struber zeigt eine Überschneidung mit Freiheitskämpfer Josef Struber.
Die Ahnentafel von Christian Struber zeigt eine Überschneidung mit Freiheitskämpfer Josef Struber.
Auch dank Herwig Zotts Ahnenforschung konnten im Nachgang des Raubkunstfalls um Egon Schieles „Bildnis Wally“ 19 Millionen Euro verteilt werden.
Auch dank Herwig Zotts Ahnenforschung konnten im Nachgang des Raubkunstfalls um Egon Schieles „Bildnis Wally“ 19 Millionen Euro verteilt werden.

Felix Gundacker ist Österreichs bekanntester Ahnenforscher. Der Tiefbau-Ingenieur hat 1988 in Wien begonnen, seinen eigenen Vorfahren auf den Grund zu gehen - und ist seit 1993 hauptberuflicher Genealoge. Gundacker, der auch als Experte die 2021 ausgestrahlte ORF-Serie "Meine Vorfahren" begleitete, ist einer der wenigen, die von diesem Beruf leben können. Er bestätigt, dass die Suche nach den eigenen Wurzeln jahreszeitlichen Konjunkturen unterliegt: "Die Saison startet meist rund um Allerheiligen und geht über Weihnachten bis Ostern." Denn gerade anlässlich dieser Familienfeste werde gern über verstorbene Verwandte diskutiert, sagt er.

Gundacker sieht sich selbst als "klassischen Ahnenforscher" und erhält meist Aufträge von Privatpersonen, die ihren Stammbaum erforscht haben wollen, den Ursprung ihres Namens oder einen unbekannten Großvater ausfindig machen wollen. Bekannt geworden ist er mit seinem Nachweis, dass der frühere US-Außenminister John Kerry österreichische Wurzeln hat. Zudem konnte er belegen, dass die Frau des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südkoreas, Francesca Rhee (1900-1992), die als Franziska Donner in Inzersdorf geboren wurde, mit Niederösterreichs Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) verwandt ist.

"Ich schätze, dass 30 Prozent der Österreicher Interesse an Ahnenforschung haben", sagt Gundacker. Er stützt diese Behauptung mit der Tatsache, dass allein auf der kostenlosen Onlineplattform GenTeam, die er mitentwickelt hat, 65.000 registrierte Nutzer unterwegs sind. "In Summe hatten wir weit über 100.000 Anmeldungen." Mitverantwortlich für den Boom macht er auch die Tatsache, dass viele Quellen wie etwa die Tauf- und Kirchenbücher nun online verfügbar seien.

Herwig Zott macht für Kunden ebenfalls Vorfahren ausfindig. Er verfolgt mit seinem Institut für Ahnen- und Familienforschung in Salzburg aber auch einen zweiten Schwerpunkt: Der Psychotherapeut ist auf die Ermittlung von Ahnen bei offenen Erbschaftsverfahren spezialisiert. Prominenteste Causa war seine Mitarbeit beim Raubkunstfall von Egon Schieles "Bildnis Wally", der einen zwölf Jahre dauernden Rechtsstreit nach sich zog. An dessen Ende 2010 kam es zur außergerichtlichen Einigung, das Gemälde kehrte nach Zahlung von 19 Millionen Dollar nach Wien zurück. Da kam Zott ins Spiel: "Das Geld wurde auf ein Treuhandkonto überwiesen. Die Frage war aber, wie die 19 Millionen verteilt werden - so, dass niemand der Verwandten übersehen wird", erzählt er. "Die an der Transaktion beteiligte Versicherung wollte eine neutrale Überprüfung der vorliegenden Daten durch einen unabhängigen Experten - und der war für den österreichischen Zweig der Familie ich", sagt der Experte. Häufiger Auftraggeber Zotts ist die in Großbritannien angesiedelte Kanzlei Title Research.

Baumanager Christian Struber aus St. Koloman ist einer, der seine Familiengeschichte von Zott erforschen ließ. Er wollte wissen, ob er mit dem aus Werfen stammenden Josef Struber (1773-1845), der mit seinen Schützen den Pass Lueg 1809 gegen die Franzosen und Bayern verteidigt hatte, verwandt ist. Nach einem halben Jahr Forschung legte Zott das Ergebnis vor. Struber: "Es hat sich gezeigt, dass es acht Generationen vor mir und vier Generationen vor Josef Struber einen Schnittpunkt unserer Familien gab - auf einem Bauernhof in Abtenau." Ein Ergebnis, das der Baumanager auch dem langjährigen Schützen-Landesobmann Franz Meißl weitergeleitet hat. "Denn das ist auch für die zwei Schützenkompanien in Werfen und Golling, die Strubers Namen tragen, interessant."

Endpunkt der Erforschung seiner Vorfahren war bei Struber eine von ihm beauftragte, 2 mal 1,4 Meter große, handgemalte Ahnentafel seiner Familie: "Sie umfasst auch die Vorfahren meiner Frau - und geht lückenlos bis ins Jahr 1621 zurück."

Gestaltet hat das Kunstwerk Eva Rosenlechner-Palaz aus St. Gilgen. Sie hat lange in der Bekleidungsbranche gearbeitet und daneben dieses Kunsthandwerk von ihrem Vater gelernt. Mittlerweile hat sie ein eigenes Atelier in einem alten Bauernhof eingerichtet und diese Sparte der Ahnenforschung zum Brotberuf gemacht: "Im Durchschnitt dauert die Abwicklung eines Projekts sechs Monate bis ein Jahr. Der Preis geht von 300 bis 10.000 Euro - je nach Größe. Wenn es schnell gehen muss, geht es auch in drei bis vier Monaten", sagt sie. Rosenlechner-Palaz malt mit Acrylfarben auf Malkarton oder Leinwand; auf Wunsch auch auf Holz: "Ein Gemälde auf einer Mauer würde mich aber reizen." Ihr größtes Projekt bis dato war ein Wandteppich in Form eines Rollos, der mehrfach erweitert wurde: "Er war 2,4 mal 2,2 Meter groß und auf Stoff gedruckt; die Arbeit daran hat mehrere Jahre gedauert."

Die Ahnenforschung wird auch im psychotherapeutisch-psychologischen achttägigen Seminar "Familienrekonstruktion" genützt, das der Linzer Psychologe und Therapeut Max Kastenhuber mit seinem Team anbietet. Dabei sollen die zwölf Teilnehmer nach Möglichkeit die Stammbaumdaten bis zurück zu den Urgroßeltern mitbringen. Methodischer Schwerpunkt des Seminars sei die Selbsterfahrung, sagt Kastenhuber. "Man erhält Anregungen zur Reflexion über den eigenen Lebensweg und Antworten auf die Fragen: Wie bin ich geworden? Wie stehe ich im Leben? Wie erlebe ich mich - und wie stehe ich zu Eltern und Geschwistern?"

Ein Ansatz sei auch, bestimmte Ereignisse der Familiengeschichte aufgrund von Annahmen nachzuspielen: "Warum etwa der Großvater im Krieg desertiert ist oder wie es zur Partnerwahl der Eltern kam, die vielleicht verkuppelt wurden. Da gibt es oft sehr überraschende Erkenntnisse - und man kann auch die emotionale Betroffenheit von damals nachempfinden. Es entsteht dadurch im Idealfall eine Verständnisbrücke zu den Eltern oder Großeltern." Vielleicht könne man so deren Entscheidungen besser nachvollziehen und die eigene Rolle im Familiensystem besser verstehen, sagt er. "Das kann auch zur Ressource werden."


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