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Ein Tempelritter verließ sein Grab: Fund von Überresten könnte neue Erkenntnisse bringen

Salzburger Forscher versprechen sich von der Untersuchung einiger Knochenproben wertvolle Informationen.

 Mit aller Vorsicht werden die wertvollen Proben entnommen.
Mit aller Vorsicht werden die wertvollen Proben entnommen.
Die Commanderie d’Ozon war ein Stützpunkt der Templer und eine Station für Pilger.
Die Commanderie d’Ozon war ein Stützpunkt der Templer und eine Station für Pilger.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er etwas erzählen. Möglicherweise kann er sogar dann noch etwas berichten, kommt er aus weit zurückliegender Vergangenheit. Daniele Mattiangeli und Jan Cemper-Kiesslich haben jedenfalls damit begonnen, einen solchen Reisenden zu "befragen".

Daniele Mattiangeli, Dozent für Römisches Recht und Rechtshistoriker am Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts, leitet zusammen mit Jan Cemper-Kiesslich, forensischem Molekularbiologen am Fachbereich Gerichtsmedizin sowie molekularem Archäologen am Fachbereich Altertumswissenschaften, jenen weltweit einzigartigen Forschungsverbund an der Universität Salzburg, der sich mit dem Schicksal der Tempelritter und der fragwürdigen Auflösung des Ordens im 14. Jahrhundert beschäftigt.

Wissenschafter untersuchen auch sterbliche Überreste

Die beiden Wissenschafter sowie ihre Projektmitarbeiterinnen Magdalena und Sophie Kirchgasser sind in allen maßgeblichen Archiven in Europa und in Vatikanstadt auf der - mittlerweile erfolgreichen - Suche nach Dokumenten, die zu den mittelalterlichen Vorgängen Aufschluss geben können. Der französische König Philipp IV. hatte die wirtschaftlich mächtigen und unabhängigen Templer wegen Ketzerei, Gotteslästerung und Homosexualität anklagen lassen, mit dem Ziel, den Orden zu vernichten.

Die Wissenschafter untersuchen aber nicht nur Manuskripte, sondern auch sterbliche Überreste von möglichen Großmeistern des Ordens. So entdeckten sie 2019 in Verona einen Steinsarkophag, in dem sich die Gebeine von Arnau de Torroja, dem neunten Großmeister des Templerordens, befinden könnten. Ein letzter Abgleich von Erbgut, das den Knochen entnommen wurde, steht noch aus, da Verwandte von Torroja in Spanien begraben sind und die Coronapandemie und Verhandlungen mit den Eigentümern der Gräber die weitere Forschung behindert haben.

Schädel könnte gute Informationen liefern

Ein zweites Grab in Ferrara könnte Informationen über den Gründer des Ordens, Hugues de Payns, liefern. Nun hat sich noch eine Spur in das französische Châtellerault in der Region Nouvelle-Aquitaine ergeben. Sie lässt vermuten, dass in einer Gruft die sterblichen Überreste von Guillaume de Sonnac liegen, dem 18. Großmeister des Ordens, der 1250 in einer Schlacht in Ägypten um sein Leben kam.

Daniele Mattiangeli und Dissertantin Birgit Brenner reisten nach Frankreich, um Proben von Knochen zu entnehmen, wie Mattiangeli berichtet: "Der Besitzer des Fundorts Commanderie d'Ozon, Jean-François Lavrard, hat eine Holzkiste geöffnet, in der zwei Skelette lagen. Eines davon ist einer Person zuzuordnen, die 1,80 Meter groß war. Das zweite Skelett ist mit 1,60 Metern sehr viel kleiner. Zudem entdeckten wir daneben zwei weitere kleinere Skelette. Die Bestattung lag nicht in der ursprünglichen Holzkiste aus dem Mittelalter, doch von dieser gibt es noch Reste. Dieses Holz und die Nägel werden wir analysieren. Freundlicherweise durften wir den Schädel des großen Skeletts fotografieren. Er könnte uns gute Informationen geben."

"Die Großmeister waren für den Orden sehr wichtig"

Guillaume de Sonnac, der in Chroniken als gewiefter Kämpfer und Militärstratege beschrieben wird und in Aquitanien überaus beliebt war, ließ sein Leben im Kreuzzug des französischen Königs Ludwig IX. (1214-1270) gegen die Ägypter, die zu dieser Zeit als starke Bedrohung der Kreuzfahrerstaaten im Nahen Osten angesehen wurden. Das französische Heer und etwa 280 Tempelritter wurden vernichtend geschlagen.

Guillaume de Sonnac hatte einen ersten Angriff am Auge schwer verwundet überlebt und konnte sich mit zwei Begleitern zurückziehen. Ein weiterer Schlag traf den Kopf und sein zweites Auge. "Eine Spur dieser Verwundung könnte sich am Schädelknochen erhalten haben", beschreiben Daniele Mattiangeli und Jan Cemper-Kiesslich.

Die Überführung des Leichnams von Guillaume de Sonnac und vielleicht auch der Körper seiner zwei Begleiter nach Frankreich wäre nicht ungewöhnlich gewesen. "Die Großmeister waren für den Orden sehr wichtig. Und im Mittelalter ließ man Christenmenschen nicht unbestattet liegen - noch dazu in Feindesland. In einer glaubwürdigen Chronik der Schlacht, die noch im 13. Jahrhundert verfasst wurde, haben wir eine Notiz gefunden, dass Sonnac aus Ägypten zurückgebracht wurde", sagt Daniele Mattiangeli.

Viele Fragen sind noch offen

Die Erkenntnisse aus den nun in Salzburg in der Gerichtsmedizin folgenden Untersuchungen werden deshalb wichtig sein, da sich damit Rückschlüsse ziehen lassen. Auch Arnau de Torroja und Hugues de Payns fielen im Nahen Osten. Zum Schicksal von Hugues de Payns gibt es ebenfalls ein Dokument, das aus dem 17. Jahrhundert stammt und das seine Grablege in Ferrara erwähnt. Der Historiker Marco Antonio Guarini schrieb in dem Buch "Compendio Historico" darüber. "Zu dieser Zeit existierte noch mehr Wissen über die Tempelritter, das später verloren ging", ergänzt Daniele Mattiangeli.

Sollte sich herausstellen, dass das 1,80 Meter große Skelett Guillaume de Sonnac zuzuordnen ist, könnten weitere Fragen besser beantwortet werden. Denn unklar ist immer noch, woher der Mann stammte. Einige Hinweise lassen Südfrankreich vermuten, andere wiederum die Normandie. Er könnte laut Historikern entweder in Languedoc, in Rouergue oder Quercy in der Familie Saunhac geboren worden sein. Gemäß anderen Forschern, zu denen auch Daniele Mattiangeli gehört, sollte er den Namen Wilhelm de Sonay gehabt haben und entweder in der Region Bas-Poitou oder im Château de Sonnay auf die Welt gekommen sein. Für einen Südfranzosen des Mittelalters wäre er jedenfalls mit 1,80 Metern unüblich groß gewesen.

Die Skelette in der Commanderie d'Ozon waren Österreichern aufgefallen, die in Europa privat umherreisen, um Spuren von Tempelrittern zu finden. Die Commanderie d'Ozon war einst ein Stützpunkt des Templerordens. Das Gebäude samt Kapelle diente als Krankenhaus und Unterkunft für Pilger auf ihrem Weg in das Heilige Land.

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