Am Donnerstag erfolgte die schon länger erwartete Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA für die Coronaschutzimpfung mittels des Biontech/Pfizer-Vakzins für Kinder von fünf bis elf Jahren. Das Nationale Impfgremium zog nach und sprach eine offizielle Empfehlung für diese Kinderimpfung aus. Vor allem Kindern mit Risikofaktoren wie Herzerkrankungen, Tumorerkrankungen oder Diabetes wird zu einer Impfung ab sofort geraten, die Empfehlung gelte jedoch für alle, hieß es. Die häufigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick.
1. Warum kommt die Freigabe erst jetzt?
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte bereits Ende Oktober eine Notfallzulassung des Coronaimpfstoffs von Biontech/Pfizer für Kinder zwischen fünf und elf Jahren erteilt. Dort wurden bereits 3,3 Millionen Kinder ein und 130.000 Kinder zwei Mal geimpft. In Israel fiel am Donnerstag der Startschuss für die Impfoffensive für diese Altersgruppe. In Österreich ist dafür aber neben einer Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) auch eine Empfehlung der EU-Arzneimittelbehörde EMA nötig. Und diese hat nach einer mehrwöchigen Prüfung erst am Donnerstag ihre Freigabe erteilt. Die Empfehlungen basierten auf sehr strengen Prüfverfahren, die Studien würden besonders genau untersucht, betont Ursula Wiedermann-Schmidt, wissenschaftliche Leiterin des NIG und Vakzinologin der MedUni Wien.
2. Wie gefährlich ist das Virus für Kinder?
Bekannt ist, dass Covid bei Kindern zwar häufig einen milden Verlauf nimmt. Dennoch: Keine Kinderkrankheit führe zu so vielen Krankenhaus- und Intensivstationsaufenthalten wie Covid, betont Karl Zwiauer, ebenfalls ein Mitglied des NIG. Daten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) zufolge landeten im April 2021 in der dritten Pandemiewelle pro Woche ein bis drei Kinder und Jugendliche auf Intensivstationen. Denn Covid stelle für Kinder ein "unkalkulierbares Risiko" dar, so Zwiauer. An einem pädiatrischen hyperinflammatorischen Syndrom mit Multiorganbeteiligung erkrankt in Österreich laut der ÖGKJ rund eines von 1000 infizierten Kindern. Dieses Krankheitsbild führe zu hohen Krankheitsbürden, sagte Zwiauer. Zudem hat kürzlich eine Studie von Med-Uni Graz, ÖGKJ und AGES gezeigt, dass elf Prozent der untersuchten 755 Kinder länger als vier Wochen nach der Infektion Symptome hatten, was als "Long Covid"-Verlauf gewertet werden kann. "Die Nutzen-Risiko-Analyse gegenüber einer Coronainfektion ist zugunsten einer Impfung zu entscheiden", sagt Vakzinologin Wiedermann-Schmidt.
3. Wie sicher und wie wirksam ist die Impfung für Kinder?
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland, Thomas Mertens, kann nach eigenen Worten nachvollziehen, wenn Eltern einer Impfung ihrer Kinder skeptisch gegenüberstehen. "Das kann ich sehr gut verstehen, und es entspricht im Grunde auch dem Problem, vor dem die Stiko mit ihrer Empfehlung steht - nämlich dem Abwägen von Nutzen und möglichen ,Restrisiken' bei den Kindern in dieser Altersgruppe", sagte Mertens. In der Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer seien keine schwerwiegenden Impfreaktionen oder Nebenwirkungen dokumentiert worden, sagte Mertens. Die Wirksamkeit des Impfstoffs entspreche bei den Kindern nach einer relativ kurzen Beobachtungszeit zudem laut Mertens etwa der bei den Erwachsenen - und diese liegt bei rund 91 Prozent.
4. Welche Dosis wird verwendet?
Kindern unter zwölf Jahren wird ein Drittel der Dosis für Erwachsene verabreicht; nach drei Wochen erfolgt die zweite Impfung. Diese geringe Dosis wird mit Kochsalzlösung gestreckt, um sie besser verabreichen zu können. Ab Jahresende soll ein eigens für Kinder entwickeltes Vakzin kommen. Dabei ist die Dosis bereits "vorverdünnt".
5. Welche Impfreaktionen könnte es geben?
Bisher seien keine schweren Nebenwirkungen festgestellt worden, allenfalls milde Reaktionen wie Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder Kopfschmerzen, betonte die EMA am Donnerstag. Kinderarzt Holger Förster, der auch Impfreferent der Salzburger Ärztekammer ist, hat bereits 160 Kinder in den vergangenen drei Wochen geimpft. "Bei allen ist die Impfung recht harmlos vorübergegangen", sagt er. Wiedermann-Schmidt empfiehlt aber, dass sich Kinder drei Tage nach der Impfung körperlich schonen und eine Woche keinen Sport machen sollten.
6. Gibt es bekannte Impfschäden?
Eine im "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Evaluation beurteilt die Kinderstudie von Biontech/Pfizer: Die einzigen drei schwereren Schäden im Beobachtungszeitraum hatten nach Ansicht der Autoren keinen Zusammenhang mit der Impfung - in einem Fall war es ein gebrochener Arm. Herzmuskelentzündungen, wie sie nach breiterer Impfung von über Zwölfjährigen vereinzelt vorkamen, wurden in dieser - recht kleinen - Probandengruppe nicht festgestellt.
7. Was spricht für dieImpfung bei Kindern?
Kinder erkranken zwar nur selten an Covid-19. Doch, so sagen die EMA-Experten, auch sie könnten schwere Verläufe haben. "Vor allem chronisch kranke Kinder haben ein erhöhtes Risiko, im Fall einer Coronainfektion schwer zu erkranken", sagt auch Holger Förster. Die Impfung biete davor einen sehr guten Schutz. Daher seien die Vorzüge der Impfung höher zu bewerten als mögliche Risiken. Weiters plädieren Experten auch deswegen für die Kinderimpfung, weil es dabei um die gesellschaftliche Verantwortung gehe - konkret also den Schutz von Patienten oder Angehörigen, die sich etwa aufgrund einer Chemotherapie oder Transplantation nicht impfen lassen können oder bei denen die Impfung wegen einer Immunschwäche nicht wirkt.
8. Wie gehen Kinderärzte in der Praxis damit um?
"Die Freigabe macht es für uns Kinderärzte leichter", sagt der Salzburger Kinderarzt Holger Förster. Durch die Entscheidung der EMA gebe es eine rechtliche Absicherung für den impfenden Arzt. Bisher bieten drei Ärzte in der Stadt Salzburg die Impfung für Kinder an, zwei auf dem Land. 14 weitere wollen sich nach der Freigabe anschließen, zeigte eine Umfrage Försters. Insgesamt dürften in Österreich bereits rund 12.000 Kinder unter zwölf Jahren geimpft worden sein - allein in der Impfstelle Wien waren es bis Mittwoch laut APA 9167. Allerdings ist die Impfung bis dato "off label" erfolgt - also auf eigenes Risiko.
9. Können geimpfte Kinder das Virus noch übertragen?
"Wenn eine gute Immunität durch die Impfung entstanden ist, weiß man, dass die Wahrscheinlichkeit, das Virus noch zu übertragen, sehr gering ist", sagt Infektiologin Wiedermann-Schmidt. Hundertprozentig ausschließen könne man das jedoch nicht. Ein nicht geimpftes Kind, das sich infiziere, könne eine volle Viruslast etwa an Erwachsene weitergeben. Bei geimpften Kindern ist diese Wahrscheinlichkeit deutlich geringer.
10. Wird es bald auch andere Impfstoffe geben, die für Kinder zugelassen sind?
Ein zweiter Impfstoff für Kinder könnte bald folgen. Die EMA-Experten prüfen zurzeit einen Antrag des US-Herstellers Moderna.
11. Welche Kinder sollten sich nicht impfen lassen?
"Es gibt fast keinen Grund, ein Kind nicht zu impfen", sagt Kinderarzt Förster. Lediglich eine bekannte Allergie gegen Impfungen könnte dafür sprechen, die Impfung nicht durchzuführen. Ein Aufklärungsgespräch mit Eltern und Kindern werde in jedem Fall geführt, sagt Förster. Dabei könnten offene Fragen geklärt werden.
12. Wie komme ich zur Kinderimpfung und wie schnell geht es los?
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte am Donnerstag, dass das Nationale Impfgremium die Kinderimpfung ab sofort empfehle. Mückstein: "Wir sind in engem Austausch mit den Bundesländern. Es wurden sämtliche Vorkehrungen getroffen, damit in den Bundesländern zeitnah mit dem Impfen begonnen werden kann. Es wird auch eigene Kinderimpfstraßen geben."
Wien, Niederösterreich und Tirol hätten bereits mit dem Impfen begonnen, betonte der Minister. Ansprechpartner für die Eltern seien aber weiterhin primär die Kinderärzte, hieß es. Österreich habe bisher bei Biontech/Pfizer 258.000 Dosen des neu zugelassenen Kinderimpfstoffs bestellt, ausgeliefert werden sollen sie Ende Dezember, meinte der Minister.
13. Werden auch die Kinder schon nach vier Monaten einen dritten Stich brauchen - oder hält bei ihnen die Wirkung länger an?
"Das wissen wir momentan noch nicht genau", sagt Expertin Wiedermann-Schmidt. Man gehe davon aus, dass der Schutz etwa sechs Monate anhalten werde. "Man wird sich genau ansehen müssen, wie viele trotz Impfung angesteckt werden und wo die Verläufe nicht nur mild sind." Es könne aber auch sein, dass eine Boosterimpfung bei Kindern gar nicht notwendig sein wird.
14. Was ist mit Kindern von null bis vier Jahren? Ist für sie auch bald die Zulassung eines Impfstoffs zu erwarten?
Über die Infektionsrate bei Kindern unter fünf Jahren weiß man noch vergleichsweise wenig. Auch, weil sie sehr wenig getestet werden. Die Testungen finden meist erst ab dem Schulalter statt. "Man muss sich die Hospitalisierungsrate bei kleinen Kindern ansehen und da erkennt man: Schwere Erkrankungen sind relativ selten", sagt Widermann-Schmidt. Daher sei auch eine Impfung höchstwahrscheinlich nicht so bald nötig.