In Österreich fehlen exakte Daten über die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Ärzte, Psychologen und Abtreibungsgegner kritisieren das sehr stark, weil es dadurch viel schwieriger sei, gezielter in der Prävention anzusetzen. Jetzt gehen sie erneut mit einem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit.
Die Gynmed Ambulanz für Schwangerschaftsabbrüche am Uniklinikum Salzburg ist eine der wenigen Einrichtungen in Österreich, die ihre Arbeit genau dokumentieren. Die Zahlen bleiben für den Ärztlichen Leiter Christian Fiala und die Klinische Psychologin Petra Schweiger konstant hoch. 766 Schwangerschaftsabbrüche waren es 2018 an der Gynmed. Seit Bestehen der Ambulanz pendeln die Zahlen im Regelfall zwischen 700 und 900. Die meisten Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, sind zwischen 20 und 39 Jahre alt (649). Mehr als die Hälfte der Frauen (55 Prozent) hat bereits ein, zwei oder noch mehr Kinder. Der Großteil der Abbrüche erfolgt zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche.

Da es keine Meldepflicht der Ärzte in Österreich gibt und die Krankenkassen einen Schwangerschaftsabbruch nicht bezahlen, gibt es keine validen Zahlen für das gesamte Bundesgebiet. Fiala schätzt hochgerechnet auf Basis der Salzburger Zahlen, dass es jährlich rund 30.000 Abbrüche sind. Und er betont: "Wir haben eine unnötig hohe Rate an Schwangerschaftsabbrüchen, weil die Prävention schlecht ist." Martina Kronthaler, die Generalsekretärin der Aktion Leben, unterstreicht diesen Befund: "Wir vermissen ein Bekenntnis der Politik, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche reduzieren zu wollen. In Österreich gibt es als fast einzigem Land in Europa keine verlässlichen Zahlen. Es fehlt die Auseinandersetzung von öffentlicher Seite, was schwangeren Frauen in Krisen und Notlagen wirklich helfen kann."
Christian Fiala verweist auf das Vorbild Niederlande, wo mit einem großen Maßnahmenpaket versucht werde, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu verringern. Dort würden sie wie in vielen anderen Ländern auch bezahlt. An der Gynmed Ambulanz in Salzburg kostet ein Abbruch 530 Euro, in Wien 560 Euro und im niederösterreichischen Landesspital 850 Euro. In privaten Einrichtungen zahlt man teils erheblich mehr. Und was kostet eine Sterilisation? Männer zahlen 700 bis 800 Euro, Frauen 1000 Euro und mehr.
Für Fiala beginnt die Prävention bei einer "brauchbaren Sexualerziehung" in der Schule. Der Mediziner verweist auf Umfragen, wonach 22 Prozent der Österreicher glauben, dass eine Frau im Lauf ihres Lebens ohne Verhütung nur bis zu drei Mal schwanger werde (35 Prozent bei Migranten). Nur 21 Prozent lägen mit der Schätzung von 12 bis 15 richtig. Fiala kritisiert auch, dass Hormone in Verhütungsmitteln, wie in Pille oder Hormonspirale, in den vergangenen Jahren zu Unrecht in Verruf geraten seien.
Die Psychologin Petra Schweiger weist wiederum auf grobe Mängel in der Verhütung selbst hin: "Von 100 Paaren, die mit Kondom verhüten, werden 15 bis 18 innerhalb eines Jahres ungewollt schwanger." Aus dem Verhütungsreport 2015 lässt sich auch herauslesen, dass im Lauf eines Jahres acht bis neun Frauen trotz Pille schwanger werden. Schweiger erklärt das mit Anwendungsfehlern. Weitaus sicherere Methoden, wie die Hormonspirale, seien mit Kosten von rund 500 Euro wieder deutlich teurer.
"Gerade für alleinerziehende Frauen ist das ein erheblicher Kostenfaktor", sagt Schweiger. Sie fordert ebenso wie Fiala, dass Verhütungsmittel von den Kassen bezahlt werden sollten. Der Verhütungsreport zeige nämlich auch, dass viele Paare mehr und mit besseren Methoden verhüten würden, wenn sie die Kosten nicht selbst tragen müssten. Die Psychologin kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass Ärzte eine Verhütungsberatung nicht verrechnen dürfen, außer bei der Erstuntersuchung junger Mädchen. Für Schweiger müsste das bei der jährlichen Kontrolluntersuchung immer wieder von den Ärzten thematisiert werden.
Auch Martina Kronthaler ist der Meinung, dass Verhütungsmittel nicht an den Kosten scheitern sollten und die Bezahlung vor allem in sozialen Notfällen wünschenswert wäre. Das allein löse aber das Problem nicht. "Es wird die Not der Frauen nicht gesehen, auch weil wir keine genauen Daten dazu haben", betont sie. Das Thema Wohnen sei zum Beispiel ein riesiges Problem für viele Paare. Dadurch entstehe das Gefühl, es einfach nicht schaffen zu können.
Christian Fiala meint in Richtung Politik, dass Salzburg ein Musterbeispiel in der Prävention werden könne, weil man hier auch Daten und Fakten habe und daher wisse, wo man ansetzen müsse. Ebenso Kronthaler , die die Politik dazu auffordert, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen: "Wir brauchen keine ideologische Diskussion. Wir brauchen praktische Überlegungen, wie wir besser vorbeugen und Frauen, die ungeplant schwanger sind, besser helfen können."