Spätestens zum Start des neuen Uni-Semesters stellen sich angehende Studenten die immerselben Fragen: Soll ich überhaupt studieren? Wenn ja, welches Studium kommt für mich in Frage? Und wenn ich bereits studiere: Studiere ich wirklich das passende?
Die SN geben gemeinsam mit drei Berufs- und Bildungsberatern Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Studienwahl.
In jungen Jahren gibt es kaum eine wichtigere Entscheidung als die Studienwahl. Und diese ist vor allem psychologisch belastend: "Die Studien- und Berufswahlentscheidung ist hochkomplex. Und sie kann je nach sozialer Reife mehr oder weniger gut gelingen", sagt Gertraud Meusburger, Leiterin der Psychologischen Studierendenberatung Salzburg. Die Beratungsstelle ist darauf spezialisiert, bei Wahl und Beginn eines Studiums zu helfen. Und diese Hilfe kommt auch direkt in den meisten Schulen im Bundesland an: In Kooperation mit der Salzburger Bildungs- und Berufsberatung BiBer wird das Programm "18plus" angeboten. "Wir unterstützen Schüler und Schülerinnen in den Vormaturaklassen der AHS und BHS in ihrem Informations- und Entscheidungsprozess", beschreibt Meusburger. Wer nach einer solchen Beratung noch keine Entscheidung treffen kann, dem rät Meusburger zu einer "Nachreifungszeit": "Ein Soziales Jahr, ein Auslandsaufenthalt oder eine Berufstätigkeit sind eine gute Alternative zu einer unsicher getroffenen Studienwahl." Speziell berufsnahe Erfahrungen würden sich positiv auf Selbstwertgefühl und Entscheidungskompetenz auswirken.
Welche Studienrichtung passt wirklich zu mir?Österreichweit gibt es aktuell mehr als 2000 Studienprogramme. Für Licht im Bildungstunnel sorgen neben Berufsberatungsstellen, Studienführern und Studieninformationsmessen noch schuleigene Schüler- und Bildungsberater - eine ehrenamtliche Tätigkeit der jeweiligen Lehrer. Parallel helfen mittlerweile auch Online-Tests oder eigene Apps, unter anderem "UNIspotter". Die kostenlose Anwendung ist seit vergangenen Oktober erhältlich. Der Nutzer klickt sich durch neun Fragen, etwa wie wichtig ihm das Studienleben ist oder ob er es sich vorstellen kann, in einer Großstadt zu leben. "Nach dem spielerischen Matching werden zukünftigen Studenten Programme vorgeschlagen, die ihren Vorstellungen entsprechen", beschreibt Verena Mai von "UNIspotter". Doch als Studienwahltest sieht sich die App nicht - ein gewisses Vorwissen der Studenten wird vorausgesetzt. Und für solch ein Vorwissen will die BiBer-Bildungs- und Berufsberatung sorgen, sowohl im Zuge von "18plus" als auch bei Beratungen in Anlaufstellen im ganzen Bundesland. "Wir haben öfters den Fall, dass sich ein Schüler für zwei ziemlich unterschiedliche Studiengänge interessiert, etwa Kommunikationswissenschaft und Pharmazie", beschreibt Christine Bauer-Grechenig, Geschäftsführerin von BiBer. In solchen Fällen suche man beispielsweise Berufe, die Fähigkeiten aus beiden Richtungen brauchen. "Andere haben hingegen schon einen Beruf im Kopf. Da suchen wir nach der passenden Ausbildungsmöglichkeit." Doch auch hier ist die Auswahl oft groß: Nicht immer sei es so eindeutig, wie bei jemanden, der Arzt werden will - und entsprechend Medizin studiere. "Nehmen Sie nur meinen Beruf", ergänzt Bauer-Grechenig. "Wer Bildungsberaterin werden will, kann Soziale Arbeit, Psychologie oder Betriebswirtschaft studieren. Da muss man sich über verschiedene Faktoren zu einer Entscheidung vorarbeiten."
Wenn es nach Gertraud Meusburger geht, braucht ein junger Mensch für die gute Studienwahlentscheidung "Selbsterkenntnis, Reflexionsfähigkeit und die richtigen Informationen". Sobald diese Basis geschaffen ist, gibt es konkrete Schritte, die die Psychologische Beratungsstelle den Studieninteressenten empfiehlt. Zuallererst solle man sich über die eigenen Ziele klar werden. Dass sieht Bauer-Grechenig ebenso: "Sie müssen auf jeden Fall auf die eigenen Stärken setzen. Wir hatten Fälle, bei den Schüler ein Studium wählen wollten, in dem sie schwach sind - um ihr Manko auszumerzen. Doch das geht meistens schief." Anschließend solle man zu den Zielen passende Ideen entwickeln, aber ebenso Alternativen überlegen, falls das Wunschstudium nicht umsetzbar sein sollte. Parallel solle man die Konsequenzen abschätzen: Welche Folgen hat die Studienwahl? Welche Anforderungen kommen auf einen zu - Studiendauer, Kosten, Wohnortwechsel. Solche Tipps könnten aber nur die Entscheidung befeuern - treffen müsse sie der Schüler selbst, sagt Bauer-Grechenig: "Wir müssen den Studieninteressenten zeigen, was die Studienwahl wirklich bedeutet. Wenn jemand etwa kein Zahlenmensch ist, bringt es im Normalfall wenig, Physik zu studieren. Nur das ist nicht jedem bewusst."
Sobald die Entscheidung schließlich getroffen wurde, muss sie noch bewusst umgesetzt werden. "Dabei sollten Sie unbedingt frühzeitig Anmeldefristen für Eignungs- und/oder Aufnahmeprüfungen beachten", ergänzt Psychologin Meusburger.
Jede staatliche österreichische Universität ist prinzipiell frei zugänglich. Im Zuge von "18plus" werden zudem "persönliche Begegnungen der Schüler mit Einrichtungen und Menschen aus der Arbeitswelt und dem Ausbildungsbereich" angeboten. Parallel lässt die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) Schüler in die Studienwelt schnuppern: "Im Rahmen der Initiative ,Studieren probieren' haben Schüler die Möglichkeit, in Begleitung eines Studenten an Lehrveranstaltungen ihrer Wunschstudien teilzunehmen", beschreibt Peter Engel, Leiter des ÖH-Beratungszentrums an der Uni Salzburg. Im Anschluss an die Lehrveranstaltung finde ein Beratungsgespräch statt. "Wir geben die Infos direkt aus den Einrichtungen weiter, also den Unis und Fachhochschulen." So informiere man über den Anmeldeprozess, das Auswahlverfahren oder ganz allgemein, welches Studium zu welchem Job passt. Von den "Studieren probieren"- sowie den "18plus"-Aktionen profitieren laut Engel vor allem jene, die sich bereits vorab gut informiert haben. "Die anderen bekommen dadurch eher einen auf den Deckel - und werden zunächst einmal mehr verunsichert. Aber auch das ist gut: Denn so wachen sie auf und beginnen, ihre Entscheidungen vorzubereiten."
Wie stark sollen Eltern bei der Entscheidung mitreden dürfen?Peter Engel weiß, wie groß der elterliche Druck bei der Studienwahl sein kann. "Wir hatten vor einiger Zeit ein Mädchen bei uns, dass Rotz und Wasser geweint hat", beschreibt der ÖH-Berater. "Nach einem Glas Wasser und einem Taschentuch hat sie uns dann erklärt, dass ihre Eltern wollen, dass sie Anwältin wird - das wäre aber überhaupt nicht ihre erste Wahl." Engel habe schließlich angeboten, mit der Mutter zu sprechen: "Sie hat sich dann für ein anderes Studium entschieden. Und das zwar sicher richtig. Die jungen Menschen sollen zu eigenen Entscheidungen geführt werden und sich nicht irgendeiner Erwartungshaltung beugen müssen." Bauer-Grechenig ist ähnlicher Meinung. Dennoch seien Eltern, Freunde und Familie im Allgemeinen "eine wichtige Quelle". Und Psychologin Getraud Meusburger ergänzt: "Für die heutige Jugend ist die Meinung der Eltern im Gegensatz zu früher sehr wichtig." Aber Vater und Mutter dürfen es nicht übertreiben: "Das elterliche Überengagement erhöht nicht selten den Entscheidungsdruck. Und der kann zu vorschnellen und unüberlegten Lösungen verführen", ergänzt Meusburger.
Wie schlimm ist es, wenn man seine Wahl später revidiert?Annährend jeder dritte Student in Österreich bricht sein erstes Studium vorzeitig ab. Wenn es nach Peter Engel geht, ist das aber kein Drama: "Es ist legitim, dass jemand seine Entscheidung ändert." Auch für Bauer-Grechenig sei das auf die "Gesamtdauer der Karriere gesehen nicht schlimm". Man müsse sich jedoch vor Augen führen, dass bestimmte Förderungen bei mehrmaligen Studienwechsel verfallen können. Zudem sollte man planen, wie man mögliche "Leerlaufzeiten" zwischen dem einen und dem anderen Studium sinnvoll nutzt.