"Das Thirty Five ist der perfekte Raum, um spannende Kreativkonzepte Realität werden zu lassen", verheißt die Homepage der gleichnamigen "Eventlocation", situiert ganz oben in einem Hochhaus in Wien-Favoriten und gesegnet mit einem fantastischen Rundumblick über die Stadt im Norden und die Berge im Süden. Freitagvormittag hatte Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer die Spitzen seiner Gesinnungsgemeinschaft in die angesagte Lokalität geladen mit dem Ziel, seine persönlichen Kreativkonzepte Realität werden zu lassen. Eine Realität, die noch (mindestens) zwei Nationalratswahlen entfernt ist. "Zur Zukunft der Nation - Österreich 2030" lautete der Titel seiner programmatischen Rede.
Eigentum
Es handelte sich dabei eindeutig nicht um eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers, sondern um die Visionen des ÖVP-Chefs. Denn etliche der Eckpunkte, die der Kanzler skizzierte, werden links der Mitte - also etwa beim grünen Koalitionspartner und bei der SPÖ - keine Zustimmung finden. Was also schlug Nehammer vor?
"Mein Ziel ist es, dass alle Österreicher zur besitzenden Klasse gehören. Österreich soll ein Land der Eigentümerinnen und Eigentümer werden", sagte der Kanzler. Dafür wolle er die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Wohnbauförderung solle verstärkt auch für den Erwerb von Wohnungseigentum herangezogen werden; und die Grunderwerbssteuer für das erste erworbene Eigenheim solle gestrichen werden.
Leistung
Auch zum Thema Leistung ließen Nehammers Äußerungen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. "Leistung muss sich lohnen. Es kann nicht sein, dass die einen nur Work und die anderen nur Life haben", sagte der Kanzler in Anspielung auf das Schlagwort von der "Work-Life-Balance". Sein Plan: Die Schere zwischen Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Sozialleistungen müsse wieder größer werden. Dies unter anderem durch Steuersenkungen auf Erwerbseinkommen. Auch brauche es "ein neues Arbeitslosengeld": In der ersten Phase der Arbeitslosigkeit sollten die Zahlungen erhöht werden, doch danach müssten die Geldleistungen "deutlich" gesenkt werden. Damit würde auch die Motivation der Betroffenen steigen, sich Arbeit zu suchen. Wobei es nicht darum gehe, ältere Arbeitslose unter Druck zu setzen. Aber: "Wer 25 Jahre alt ist und zwei gesunde Hände hat, soll arbeiten gehen", sagte der Kanzler. Und noch ein "Ziel für 2030" nannte er: "Jeder, der in Österreich lebt, soll erst nach fünf Jahren legalen Aufenthalts Sozialleistungen bekommen." Migranten sollen statt Geld- verstärkt Sachleistungen erhalten. Pflegekräfte "aus aller Welt" hingegen sollen einen Sofortzugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Das Arbeiten über das Pensionsalter hinaus solle durch Anreize gefördert werden, die Abgabenquote solle von derzeit 42 auf 40 Prozent gesenkt werden.
Klima
Er wolle die Klimakrise "nicht kleinreden", versicherte der Kanzler. Er sprach sich aber gegen den "Untergangsirrsinn" aus, der um sich gegriffen habe. Es gehe darum, auf den Klimawandel nicht mit Verzicht und mit Ängsten zu reagieren, sondern mit Wissenschaft und Fortschritt. Das gelte auch für den Verbrennungsmotor: Der EU-Raum habe bei dieser Technologie die "höchste Expertise", es sei daher nicht einzusehen, dass alle Ressourcen "auf nur eine Antriebsform" (den E-Motor) konzentriert würden. Gerade Österreich sei "das Autoland schlechthin". 80.000 Mitarbeiter seien in der Automobilindustrie tätig, diese bringe auch Innovation und Forschung mit sich. Österreich werde, "sollte es auf die Tagesordnung kommen", künftig in der EU "das Ziel eines Verbrennungsmotor-Aus blockieren" - was einer Abkehr von der bisherigen österreichischen Politik gleichkäme.
Sicherheitspolitik
Diese müsse "neu gedacht" werden, sagte der Bundeskanzler. Heilige Kühe werden freilich nicht geschlachtet: "Ich will bis 2030 ein Sicherheitskonzept entwickeln, bei dem die Neutralität ein fixer Bestandteil ist", sagte Nehammer. Der EU-Außengrenzschutz müsse massiv verstärkt werden. Bis dahin bleibe Österreichs Veto gegen eine Schengenerweiterung aufrecht.
Bildung
"Stolpern wir nicht in die Durchschnittsfalle!", warnte der Kanzler. Österreich brauche Schulen, "die den Ansprüchen der Zeit gerecht" werden. Politische Bildung müsse ein "fixer Bestandteil in jeder Schule sein", ebenso mediale Kompetenz. Ab der siebten Schulstufe sollten den Schülerinnen und Schülern E-Paper von allen Zeitungen zur Verfügung gestellt werden, die im Presserat vertreten sind. Die Lehre solle aufgewertet werden: "Ich will, dass die Meisterprüfung genauso kostenlos ist wie ein Studienabschluss", sagte Nehammer.