Nachdem der Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und etliche weitere ehemalige und aktive ÖVP-Politiker in der ÖVP-Korruptionsaffäre schwer belastet hat, hat sich am späten Donnerstagnachmittag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu der Causa zu Wort gemeldet. "Das Vertrauen in die Republik ist in den vergangenen Tagen stark erschüttert worden. Ich kann und will das so nicht hinnehmen." Er könne verstehen, dass sich viele mit Schaudern von der Politik abwendeten. "Auch ich sehe, was passiert, und denke mir: Das darf doch alles nicht wahr sein", sagte Van der Bellen.
Die Chats, die in die Öffentlichkeit getropft seien, hätten sich nun zu einem Wasserschaden entwickelt - dieses Bild zeichnete Van der Bellen zum Korruptionsskandal rund um die Causa Schmid und Kurz. "Wir brauchen eine Generalsanierung. Und es ist meine Pflicht, sicherzustellen, dass das auch passiert."
"Korruption ist lähmendes Gift für die Republik"
Er lehne jede Form der Korruption ab, betonte Alexander Van der Bellen, denn diese sei lähmendes Gift und verhindere, dass Menschen ihr Bestes geben. Wenn etwa "jene, die es sich richten können, die scheinbar die richtigen Kontakte haben", Jobs erhalten. Wenn auch nur der Anschein der Korruption bestehe, müssten Konsequenzen gezogen werden.
Abermals erklärte Van der Bellen zur Justiz: "Der Rechtsstaat funktioniert. Die unabhängige Justiz genießt meine volle Rückendeckung." Aber es gehe um mehr, nämlich darum, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen und zu garantieren, dass mit ihren Wählerstimmen sorgsam umgegangen werde. "Es ist zu wenig, sich auf die Unschuldsvermutung zurückzuziehen." Bei all dem forderte er, "dass in den nächsten Wochen und Monaten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit aller politisch Verantwortlichen in diesem Land sicherzustellen und um das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen". Er forderte die Parteien auf, notwendige Konsequenzen zu ziehen. Österreichs Bevölkerung brauche Garantien, dass dieses Sittenbild, das in den Chats gezeichnet wird, nicht die Normalität sei.
Welche konkreten Konsequenzen er fordert, ließ der Bundespräsident dabei aber offen. Auf die Frage, ob er sich für Neuwahlen ausspreche, antwortete Van der Bellen folgendermaßen: "Ich wüsste nicht, warum es Neuwahlen in der jetzigen Situation geben sollte." Ob ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka noch tragbar sei, sei Angelegenheit des Parlaments, "dazu äußere ich mich nicht". Hingegen sollte überlegt werden, mit welchen Maßnahmen "so etwas" von Haus aus verhindert werden könne. Der Bundespräsident erinnerte hier an die interne Revision großer Unternehmen, aber auch an einige Vorhaben auf legistischer Ebene, die bereits ihrer Beschlussfassung harrten.
Kurz will rechtlich gegen Schmid vorgehen
Am Donnerstag hatte Ex-Kanzler Kurz angekündigt, er werde rechtliche Schritte gegen Thomas Schmid einleiten. Kurz sieht sich durch ein von ihm aufgezeichnetes Telefonat mit Schmid entlastet, das sein Anwalt der WKStA übergeben hat. "Durch dieses Tonband ist sein (Schmids, Anm.) Kartenhaus aus falschen Anschuldigungen nach weniger als 24 Stunden in sich zusammengestürzt", schrieb Kurz am Donnerstag auf Facebook. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) weist die ihn belastenden Aussagen Thomas Schmids vor der Staatsanwaltschaft zurück. Den Vorwurf, er habe gegen Steuerprüfungen eines ÖVP-nahen Vereins interveniert, bezeichnete Sobotka als "frei erfunden". Überhaupt zeigte er sich erbost über den medialen Umgang mit Schmids Geständnis und betitelte den früheren ÖVP-Intimus als "Baron Münchhausen". Bundeskanzler Karl Nehammer gab indes beim EU-Gipfel in Brüssel bekannt, er wolle an Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsident sowie August Wöginger als Klubchef (alle ÖVP) trotz der Vorwürfe festhalten. "Ich habe keinen Grund, an den Aussagen der von ihnen genannten Personen zu zweifeln", sagte Nehammer.