Michael Ludwig ist also neuer Vorsitzender der Wiener SPÖ. Er wird demnächst von Michael Häupl das Bürgermeisteramt übernehmen und die SPÖ in die nächste Gemeinderatswahl führen. Das Duell in Wien ist entschieden. Oder doch nicht so ganz, denn, wie Häupl in seiner letzten Parteitagsrede völlig richtig formulierte. "Das Duell findet nicht heute bei unserem Parteitag statt, sondern 2020." Nämlich bei der nächsten Wiener Gemeinderatswahl, bei der sich die Wiener SPÖ als Gegenentwurf zum schwarzblauen Bund präsentieren wird. Der Gegner der von Fraktionsstreitigkeiten geplagten Wiener SPÖ sitzt nicht in der Wiener SPÖ, sondern im Kanzleramt. Daher: Rote Einigkeit sei die Devise.
Entsprechend handzahm hatten sich in ihren Parteitagsreden auch die beiden Kandidaten Michael Ludwig und Andreas Schieder präsentiert. Politische Unterschiede zwischen den beiden, die angeblich für verschiedene Flügel der Wiener SPÖ stehen, waren mit freiem Auge nicht erkennbar. Beide wollen die Stadt voranbringen, beide plädieren für den sozialen Ausgleich, was wohl 99 Prozent der heimischen Politiker gleichlautend formulieren würden. Auch die diskutierenden Delegierten blieben fair: Keine Schlammschlacht, keine Abrechnung, und an den Meldungen über Flügelkämpfe in der Partei waren die Medien schuld. Im Fokus der Angriffe stand die "faschistoide" (so ein Delegierter in einer Parteitagsrede) Bundesregierung, die nur dem Großkapital diene und die Menschen ausbeuten wolle.
Das Schicksal Wiens und das Schicksal der machtgewohnten Wiener SPÖ entschied sich nicht gestern in der Messe Wiens. Es wird sich in den kommenden Jahren im Kanzleramt auf dem Ballhausplatz entscheiden. Je erfolgreicher die dortige ÖVP-FPÖ-Regierung agieren wird, desto weniger Grund werden die Wähler haben, in Wien die SPÖ zu stärken. Und umgekehrt: Je mehr Liederbuch-Wahnwitzigkeiten und sonstige Ausrutscher im Umfeld der Bundesregierung passieren, desto besser für die SPÖ. In Wien und im Bund.
Bleibt die Frage, warum die SPÖ Andreas Schieder überhaupt ins chancenlose Rennen gegen Ludwig schickte und ihn solcherart nachhaltig beschädigte. Schieder wäre eine personelle Alternative für den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall gewesen, dass Parteivorsitzender Christian Kern die Lust an der Politik verliert und in die Wirtschaft wechselt. Jetzt umgibt Schieder, dem man die Rolle des Bundesparteichefs zutrauen würde, der Nimbus des Wahlverlierers. Das war keine Meisterleistung der roten Strategen.