"Eine schwere Straftat" - Grasser von Höchstgericht zu vier Jahren Haft verurteilt
Der Oberste Gerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil wegen Untreue und Geschenkannahme gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der Buwog-Causa bestätigt, das Strafausmaß aber auf vier Jahre Freiheitsstrafe halbiert.

Schicksalstag für Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Um 10.00 Uhr begann der vierte Verhandlungstag vor dem Obersten Gerichtshof im prunkvollen Justizpalast. Fünf Höchstrichter hatten in den vergangenen Tagen den Argumenten von Grassers Anwälten, des Finanzministers selbst und der Mitangeklagten gelauscht. Sie alle hatten gegen das erstinstanzliche Urteil Einspruch erhoben, weil sie eine Befangenheit der Richterin sahen, sie sprachen von einem "unfairen Verfahren". Grasser war damals zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Vor den fünf Höchstrichtern sagte er noch am Freitag: "Es ist mir ein großes Anliegen, Ihnen zu sagen, dass ich nichts Unrechtes getan habe." Doch der OGH folgte der Argumentation der Grasser-Vertreter in den wesentlichen Punkten nicht. "Die vorgebrachten Verfahrensfehler liegen nicht vor", sagte die Senatsvorsitzende. Es habe "kein unfaires Verfahren" gegeben. Man habe keine Parteilichkeit der Erstrichterin feststellen können. Das Erstverfahren sei "vorbildlich geführt worden". Dass der Ehemann der Richterin, wie von Grasser-Verteidigern immer wieder kritisiert, Grasser-kritische Tweets vor dem Prozess veröffentlicht hatte, sei kein Grund für eine Befangenheit der Richterin. Das sei verwerflich, aber das Verhalten des Ehemanns der Richterin stehe nicht auf dem Prüfstand.
Grasser muss vier Jahre lang ins Gefängnis, sein Vertrauter Walter Meischberger für 3,5 Jahre. Strafen über drei Jahre sind unbedingt. Grasser verfolgte den Urteilsspruch und die Begründung regungslos. Als er den Saal betreten hatte, sagte er nur knapp: "Ich erhoffe mir nach 16 Jahren endlich Gerechtigkeit." Die Reduktion der Strafe ergibt sich dadurch, dass der OGH das Urteil in einem Anklagepunkt, nämlich der Beweismittelfälschung, aufhob. Und aus Milderungsgründen: Etwa die überlange Verfahrensdauer. Die Vorsitzende des OGH-Senats betonte allerdings, dass man trotz der Strafreduktion das Delikt nicht kleinreden wolle: "Es handelt sich um eine schwere Straftat".
Grasser hat nach dem Urteilsspruch vor dem Verhandlungssaal eine kurze Stellungnahme abgegeben. Er habe heute einen Freispruch erwartet, das OGH-Urteil sei ein Fehlurteil, "ich weiß, dass es ein Fehlurteil ist". Grasser will deshalb den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Er sei in seinen Menschenrechtenverletzt worden.
Acht Jahre in erster Instanz
Erstinstanzlich und nicht rechtskräftig verurteilt wurde Grasser im Dezember 2020 am Wiener Straflandesgericht wegen Untreue, Beweismittelfälschung und illegaler Geschenkannahme zu acht Jahren Haft. Neben Grasser wurden im Strafverfahren unter Richterin Marion Hohenecker auch Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und der Lobbyist Peter Hochegger nicht rechtskräftig zu sieben bzw. sechs Jahren verurteilt. Weiters wurde Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics zu einer Zusatzhaftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das nicht rechtskräftige erstinstanzliche Urteil umfasste weitere vier Schuld- und sechs Freisprüche. Alle wandten sich an den OGH.
"Geld, Gier und Geheimnisse"
Doch worum geht es eigentlich in der Causa, die die österreichische Justiz seit Jahrzehnten beschäftigt? "Geld, Gier und Geheimnisse", so fassten die Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft damals die 825 Seiten starke Anklage zusammen.
Die befasst sich im Kern mit dem Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaft (Buwog). Grasser und seine Vertrauten Walter Meischberger, Ernst Karl Plech (er wurde im Laufe des Prozesses verhandlungsunfähig) und Peter Hochegger sollen laut Anklage beim Verkauf von rund 60.000 Bundeswohnungen, der Buwog-Privatisierung, im Jahr 2004 von den Bietern Geld gefordert haben, um ihnen dafür entscheidende Informationen über das Bieterverfahren zu liefern. Schlussendlich gingen die Bundeswohnungen um 961 Millionen Euro an ein Konsortium von mehreren österreichischen Unternehmen, der unterlegene Bieter CA Immo hatte gerade einmal eine Million Euro weniger geboten. Ein Prozent des Kaufpreises, rund 9,6 Millionen Euro, soll im Gegenzug an Grasser und seine Verbündeten geflossen sein. Der Weg des Gelds führte die Ermittler über Zypern nach Liechtenstein und in die Schweiz.
Auch beim zweiten Ermittlungsstrang, der Einmietung der Finanzbehörde in den Linzer Büroturm Terminal Tower, soll durch Grasser und seine Vertrauten Bestechungsgeld verlangt worden sein. 200.000 Euro flossen damals, die dann laut Anklage ebenfalls auf die vier aufgeteilt wurden.
Prozess der Superlative
Der Prozess sprengte alle Superlative: 700 Einvernahmen, 660 Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen oder Kontenöffnungen, die Sicherung von 156 Terabyte an Daten, durch die sich die Ermittler wühlten. Am Ende stand ein 1300 Seiten starkes Urteil, dessen schriftliche Ausfertigung allein 14 Monate gedauert hatte.
Wie geht es nun weiter?
Nach dem Gerichtstag im Justizpalast wandert der Akt zunächst zurück zum Wiener Landesgericht für Strafsachen, was aufgrund des Umfangs einige Zeit - Expertinnen gehen zumindest von Wochen aus - in Anspruch nehmen wird. Der zuständige Richter im Grauen Haus fertigt dann hinsichtlich der rechtskräftig erledigten Buwog- und Terminal Tower-Aktenteile eine so genannte Endverfügung aus, die Grasser zugestellt wird. Zugleich erhalten der Ex-Finanzminister und Meischberger eine Aufforderung zum Strafantritt. Verurteilte, die sich wie Grasser und Meischberger auf freiem Fuß befinden, haben die Strafe binnen eines Monats ab Zustellung anzutreten.
Das Gesetz sieht allerdings die Möglichkeit eines Strafaufschubs wegen Vollzugsuntauglichkeit vor. Die Voraussetzungen sind im Strafvollzugsgesetz (StVG) geregelt. Strafaufschiebende Wirkung haben demnach etwa eine Krankheit oder Verletzung und ein sonstiger körperlicher oder geistiger Schwächezustand, wobei der Aufschub nur so lange gilt, "bis der Zustand aufgehört hat", wie es im Gesetz heißt. Ob die behauptete Krankheit oder Schwäche und somit Vollzugsuntauglichkeit vorliegt, muss außerdem ein vom Gericht bestellter medizinischer Sachverständiger bestätigen.
Ein Strafaufschub aus so genannten anderen Gründen - darunter fallen etwa "wichtige Familienangelegenheiten" oder "das spätere Fortkommen des Verurteilten" - kommt bei Grasser und Meischberger nicht in Betracht. Dafür wären Haftstrafen bis maximal drei bzw. ein Jahr erforderlich.