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EU-Defizitverfahren: Schulden wirbeln die Pläne der Regierung durcheinander

Das EU-Defizitverfahren gegen Österreich ist eröffnet. Die Sanierung des Budgets wird eine volle Legislaturperiode das Regierungshandeln dominieren. Entlastungen ab 2027 sind unrealistisch.

EIB-Präsidentin Nadia Calvino und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) am Dienstag bei der Sitzung des EU-Rats für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) in Brüssel.
EIB-Präsidentin Nadia Calvino und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) am Dienstag bei der Sitzung des EU-Rats für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) in Brüssel.

Nur neun Monate nach der Nationalratswahl, als Kanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) im Wahlkampf ein Schuldenproblem Österreichs noch energisch in Abrede stellten, ist das EU-Defizitverfahren gegen Österreich offiziell eröffnet. Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer Serie immer neuer Milliardenlöcher, die sich in den Haushalten des Bundes, der Länder und Kommunen aufgetan haben. Historisch betrachtet ist es das dritte Mal, dass sich Österreich einem EU-Verfahren zum Abbau "übermäßiger Schulden" stellen muss. Das erste Mal war 1995/96, ein zweites Defizitverfahren gab es nach der Finanzkrise 2008.

Dreiprozentmarke frühestens 2028 erreichbar

Die neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos hatte im Frühjahr im Regierungsabkommen noch das Ziel formuliert, ein EU-Defizitverfahren zu verhindern. Realistisch war das schon damals nicht, ebenso wenig wie die ÖVP-Behauptung im Wahlkampf, dass das Budget im Lot sei. Die Neuverschuldung schwoll 2024 auf über 20 Milliarden Euro an. Umgelegt auf die Wirtschaftsleistung waren das 4,7 Prozent, während die EU nur drei Prozent erlaubt. Die Regierung hat mittlerweile ein Sparpaket im Ausmaß von 8,7 Milliarden Euro für heuer und nächstes Jahr beschlossen, doch zeichnet sich ab, dass in der Folge zusätzliche Sanierungsschritte nötig sein werden, um frühestens 2028 wieder die Dreiprozentmarke zu schaffen und das EU-Defizitverfahren beenden zu können.


Das ist auch das Ziel von SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer, der beim EU-Finanzministertreffen erneut betonte, dass die Schuldenlast "das Erbe der letzten Regierung (aus ÖVP und Grünen, Anm.) ist". Er nannte das Defizitverfahren nun "unausweichlich und absehbar" und drängte darauf, die beschlossene Sanierung nun "in Vollzug zu bringen". Die EU-Finanzminister haben am Dienstag auch den Plan des Finanzministers zum Schuldenabbau gebilligt. Dass die EU-Kommission kurzfristig zusätzliche Sanierungsschritte einmahnen wird, ist nicht zu erwarten. Entscheidend werde, was 2027 und 2028 passiere, sagt Christoph Badelt, der Chef des Fiskalrats. Und da ist für ihn klar, dass zusätzliche Sanierungsmaßnahmen und insbesondere Strukturreformen in den Bereichen Förderungen, Föderalismus, Gesundheit, Bildung und Pensionen folgen müssen.

EU wird Empfehlungen geben, aber keine Maßnahmen vorschreiben

Aufgeregtheit sei wegen des Defizitverfahrens nicht angebracht, meint Badelt. Vielmehr brauche es politische Konsequenz, die geplanten Vorhaben nun durchzusetzen. Das formelle Prozedere sieht vor, dass Österreich Mitte Oktober Brüssel über die Sanierungsschritte berichten muss. "Danach sollte Österreich mindestens alle sechs Monate über die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung berichten", heißt es aus Brüssel. Die EU-Kommission wird dabei Empfehlungen geben, kann aber keine Maßnahmen vorschreiben. Schon jetzt ist klar, dass die Schuldenberge die Pläne der neuen Regierung durcheinanderwirbeln. Sie wollte eigentlich zwei Jahre sanieren und ab 2027 mit Entlastungen und Offensiven punkten. Stand jetzt wird dafür das Geld fehlen und die Budgetsanierung die gesamte Legislaturperiode dominieren.