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Falschaussage-Prozess: Freispruch für Ex-Kanzler Sebastian Kurz - "Alles in sich zusammengebrochen"

Sebastian Kurz ist in der Falschaussage-Causa freigesprochen worden. Wie die Richter dies begründeten, was im U-Ausschuss-Protokoll steht und warum sein Ex-Vertrauter verurteilt wurde.

Sebastian Kurz wurde freigesprochen
Sebastian Kurz wurde freigesprochen

"Ich wünsche mir, dass ich so behandelt werde wie jeder andere." Das waren die letzten Worte von Ex-Kanzler Sebastian Kurz in dem Verfahren wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vor Gericht. Wenige Minuten später konnte man trotz des gefüllten Prunksaals im Wiener Justizpalast eine Stecknadel fallen hören, als der Dreiersenat des Oberlandesgerichts sein Urteil in dem Berufungsverfahren sprach: Freispruch für Kurz.

Oberlandesgericht kippte das erstinstanzliche Urteil

Die OLG-Richter kippten damit das erstinstanzliche Urteil gegen den Ex-Kanzler. Damals, im Februar 2024, war Kurz zu acht Monaten bedingt wegen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss verurteilt worden. Der Richter hatte damals der anklagenden Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem Punkt geglaubt. Demnach soll Kurz bei seiner Befragung im Ibiza-U-Ausschuss im Jahr 2020 unter Wahrheitspflicht falsch ausgesagt haben, als es um die Besetzung der Aufsichtsratsposten in der unter Kurz' Kanzlerschaft neu strukturierten Staatsholding Öbag ging. "Sie erwecken insgesamt den Eindruck, dass Sie im Wesentlichen nichts damit zu tun gehabt haben", sagte der Richter Michael Radasztics im Februar 2024. Aussagen im Prozess hätten ein anderes Bild gezeichnet, so der Richter.

Richter sehen keine falsche Beweisaussage

Das OLG sah das nun anders. "Der objektive Tatbestand der falschen Beweisaussage war nicht erfüllt", erklärte der Dreiersenat das Urteil. Eine falsche Beweisaussage begehe, wer vorsätzlich Tatsachen nicht richtig darstelle. Kurz habe bejaht, dass er selbst in die Bestellung des Aufsichtsrats eingebunden war. Kurz habe damit die Ja-nein-Frage, ob er in die Bestellung eingebunden gewesen sei, richtig beantwortet. Dass er später vage geblieben ist, was ihm von Anklage und Erstgericht vorgeworfen worden war, spielte also keine Rolle. Sieht man sich die U-Ausschuss-Protokolle an, sagt Kurz auf die Frage der Neos-Abgeordneten Krisper ("Haben Sie allgemein Wahrnehmung zur Frage, wie der Aufsichtsrat besetzt wurde? Waren Sie da selbst eingebunden?"): "Ja, ich weiß, dass es da im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Überlegungen und Gespräche gab. Bei Aufsichtsratsbestellungen wird man als Bundeskanzler - das ist von Minister zu Minister unterschiedlich und von Anlassfall zu Anlassfall unterschiedlich - manchmal mehr, manchmal weniger informiert. Grundsätzlich treffen die Minister, die zuständig sind, ihre Entscheidungen. Im Regelfall werde ich danach informiert, manchmal werde ich vorher um die Meinung gefragt." Krisper war damals mit der Antwort nicht zufrieden und sagte: "Ich habe nicht nach dem Regelfall gefragt." Doch die Befragungszeit war vorbei. Kurz argumentierte, dass niemand habe wissen können, was er noch sagen hätte wollen. Das OLG folgte der Argumentation, deutete das "Ja" als ausreichende richtige Antwort und kippte das erstinstanzliche Urteil. Kurz ist damit unschuldig.

Kurz' früherer Kabinettchef hingegen wurde verurteilt

Anders ist das bei Kurz' früherem Kabinettchef Bernhard Bonelli, der vom Erstgericht wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt wurde. Dies bestätigte das OLG nun. Bei Bonelli habe sich die Sachlage nämlich anders dargestellt, so der Richter. Es sei die Frage zu prüfen gewesen, die Bonelli gestellt wurde, nämlich, ob Kurz gewollt habe, dass Siegfried Wolf Aufsichtsratsvorsitzender in der Öbag wird. Bonelli habe darauf geantwortet: "Das weiß ich nicht." "Aus Chats und auch aus der Hauptverhandlung hat sich ergeben, dass Siegfried Wolf der Favorit gewesen war für Kurz", führte der Richter aus.

Kurz sagte nach dem Urteilsspruch: "Sie haben die letzten Jahre in voller Breite mitbekommen. Sie haben jahrelang berichtet. Ich war jahrelang mit Vorwürfen konfrontiert." Jetzt sei "das alles in sich zusammengebrochen". Zutiefst bedauere er das Urteil für seinen ehemaligen Kabinettschef Bonelli, der wortlos das Gebäude verließ.

Gegen Kurz laufen noch weitere Ermittlungen

Gegen Kurz laufen noch weitere Ermittlungen in der ÖVP-Umfragenaffäre. Alles dreht sich dabei um das sogenannte Beinschab-Tool, benannt nach der einstigen Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die mittlerweile Kronzeugin ist. Der Vorwurf lautet hier, dass mit Steuergeld aus ÖVP-geführten Ministerien Umfragen bezahlt und in Medien platziert worden seien, von denen Kurz profitiert haben soll. Dieser bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.