SN.AT / Politik / Innenpolitik

Ibiza-U-Ausschuss: Grüne fanden "Belege für mutmaßliche türkis-blaue Käuflichkeit"

Der grüne Ibiza-Ausschuss-Bericht fällt vernichtend aus - vor allem für die ÖVP. Diese habe gemeinsam mit der FPÖ versucht, ein "Parallelsystem" zu schaffen, sagt die grüne Ibiza-Aufklärerin Nina Tomaselli.

Vieles von dem, was Strache in Ibiza angekündigt hatte, ist umgesetzt worden – „nur nicht alles von ihm und wesentlich professioneller“, resümiert die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli.
Vieles von dem, was Strache in Ibiza angekündigt hatte, ist umgesetzt worden – „nur nicht alles von ihm und wesentlich professioneller“, resümiert die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli.

"Selbstbereicherung, mutmaßliche Korruption und Postenschacher in ganz großem Stil", begangen von der türkis-blauen Regierung: All das habe man im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses aufgedeckt, sagte Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen in diesem Ausschuss, am Dienstag bei der Präsentation ihres Ausschussberichts. ÖVP und FPÖ hätten in ihrer Regierungszeit 2018/19 versucht, "ein Parallelsystem zu schaffen - vorbei an jeglicher Kontrolle und vorbei den an Bedürfnissen der Bevölkerung", resümierte die Grün-Politikerin.

Ziel der beiden Parteien sei es gewesen, ihren Gönnern zu nützen und "Reiche noch reicher" zu machen. Drehscheibe bei diesen Bemühungen sei "das türkis geführte Finanzministerium" gewesen, sagte Tomaselli. Die Grünen hätten "nicht gedacht, dass wir tatsächlich so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung finden werden - haben wir aber", sagte Tomaselli.

Die harten Aussagen der grünen Fraktionsführerin, die sich auch im 156-Seiten-Bericht der Grünen finden, bergen einige Brisanz für die künftige Koalitionsarbeit. Denn die maßgeblichen ÖVP-Politiker, die unter der laut Tomaselli korrupten türkis-blauen Regierung amtierten, sind auch noch jetzt, zu Zeiten der türkis-grünen Regierung, im Amt - allen voran der Bundeskanzler. Ob sie unter diesen Umständen noch Vertrauen in den türkisen Koalitionspartner habe? Auf diese Journalistenfrage blieb Tomaselli die Antwort schuldig: "Ich bin Parlamentarierin und für die Kontrolle zuständig. Alles Weitere werden andere klären", sagte sie. Womit sie vermutlich die grüne Parteispitze um Werner Kogler meinte.

Laut Tomaselli sei es im Ausschuss um die Klärung gegangen, ob die vollmundigen Ankündigungen Heinz-Christian Straches auf Ibiza einem Realitätscheck standhielten. Ob es also stimme, dass man sich über Vereine in die Politik einkaufen kann; dass sich "Wohlhabende mit genügend Geld und Gegenleistungen ihnen genehme Gesetze kaufen können"; und dass man "öffentlichen Besitz heimlich, still und leise privatisieren kann".

Der Realitätscheck sei eindeutig ausgefallen, sagte Tomaselli: "Heute wissen wir: Vieles von dem, was Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video angekündigt hat, ist in die Tat umgesetzt worden - nur nicht alles von ihm und wesentlich professioneller" - womit die Mandatarin offensichtlich auf die ÖVP anspielte.

So habe man Belege dafür gefunden, dass große Unternehmen an FPÖ- und ÖVP-nahe Vereine, vom blauen "Institut für Sicherheitspolitik" bis zum türkisen "Alois-Mock-Institut", gespendet hätten. Es sei erwiesen, dass Strache eine Gesetzesänderung betrieb, die die Privatklinik eines Freundes an den öffentlichen Finanzierungsfonds (Prikraf) andockte. Besagter Freund hatte an die FPÖ gespendet. Und es sei erwiesen, dass die ÖVP weitgehende Privatisierungspläne hatte, die nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen waren.

Zu einem dieser Pläne ("Projekt Edelstein") legte Tomaselli bisher unbekannte Dokumente vor. Beim Projekt Edelstein war es darum gegangen, das Bundesrechenzentrum samt seinem Datenschatz der teilprivatisierten Post anzugliedern. Der Plan wurde nach heftigen Protesten fallen gelassen, nachdem die Post zu Beginn 2019 in einen Datenmissbrauchsskandal verwickelt war. Aus E-Mail-Korrespondenzen des Finanzministeriums geht nun hervor, dass das umstrittene Projekt "mutmaßlich bis Ende August 2019 verfolgt" wurde, "also auch in der Zeit der Übergangsregierung Bierlein", heißt es im grünen Ibiza-Bericht.