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"Jus studiert man nicht zum Spaß"

Studienabbruch ist nicht gleich Studienabbruch: Wie bewerten juridische Fakultäten im Land, dass es bei ihnen die höchsten Drop-out-Raten gibt? Was tun sie dagegen? Und was sagen die Studierenden?

Das Jusstudium boomt seit Jahren, volle Hörsäle stehen auf der Tagesordnung.
Das Jusstudium boomt seit Jahren, volle Hörsäle stehen auf der Tagesordnung.

In Österreich wird das Jusstudium am häufigsten abgebrochen. Zu diesem Schluss kam die Statistik Austria in ihrer jüngsten Datenanalyse: Konkret brachen ein Bachelorstudium mehr als zwei Drittel der Studentinnen und Studenten, die 2012/13 inskribierten, innerhalb von zehn Jahren ab. Beim regulären Diplomstudium schaute es besser aus. Allerdings waren auch da über die Jahre 56 Prozent der Inskribierten aus dem Spiel. Warum?

Das habe natürlich damit zu tun, dass der Zugang zum Jusstudium frei sei und man nicht wie beim Medizinstudium nach einem strengen Verfahren auswähle, sodass jene, die es schaffen, dann auch weit mehr Willen haben, das Studium durchzuziehen, sagt Walter Obwexer, Dekan an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck, im SN-Gespräch. Bei Jus würden viele sagen: "Ich schau es mir einmal an - ohne zu überlegen, ob sie auch tatsächlich Jus studieren wollen", sagt er. Hinzu komme, dass die Rechtsordnung immer komplizierter werde "und manche auch überfordert sind". Natürlich seien hohe Abbruchzahlen "unangenehm", betont der Rechtsprofessor. "Aber so dramatisch, wie sich das darstellt, ist die Situation nicht." Einerseits würden viele Studierende Bachelor- und Diplomstudium inskribieren, dann aber nur das Diplomstudium weiterführen. Andererseits würden viele berufsbegleitend studieren. "Medizin macht in der Regel niemand berufsbegleitend", sagt er.

"Gelerntes Wissen geht nicht verloren. "
Walter Obwexer, Universität Innsbruck

Auch am Juridicum in Wien heißt es, dass die Statistik nur die halbe Wahrheit erzähle: "Der Vergleich mit dem Medizinstudium hinkt insofern, als Kohorten des Diplomstudiums herangezogen werden, für die es bei uns noch kein Aufnahmeverfahren gab", sagt Vizedekan Christian Koller. Denn seit dem Studienjahr 2019/20 gibt es in Wien die Möglichkeit eines solchen Verfahrens, wenn sich mehr Interessenten melden sollten, als es Studienplätze gibt. 1700 Plätze gibt es - die Nachfrage liegt meist nur geringfügig darüber. Anders beim noch jungen Bachelor- und Masterstudium: Pro Studienjahr stehen nur 200 Plätze zur Verfügung, für die es zwischen 700 und 800 Bewerbungen gibt. Da wird stark ausgesiebt.

Die aktuelle Statistik berücksichtige auch nicht, dass es besagtes Bachelor- und Masterstudium Internationale Rechtswissenschaften am Juridicum erst seit 2021 gebe, sagt Koller, der empfiehlt, auch einen Blick auf die Absolventenzahlen zu werfen - die "immer konstant sind" - sowie einen in die Praxis: "Juristen sind gefragt. Da gibt es de facto keine Arbeitslosigkeit."

Johannes Michael Rainer, Dekan in Salzburg, wiederum sagt, dass "meist bis zum Ende durchstudiert", wer die anspruchsvolle Eingangsphase des Studiums einmal bestanden habe. In Salzburg, der kleinsten juridischen Fakultät im Land, sei da auch der gute Betreuungsschlüssel von Vorteil.

Bei der Sozialerhebung des IHS aus 2019 zeigte sich bei der Analyse von Studienverläufen, dass im Bereich Wirtschaftsrecht besonders viele am Ende zwar nicht dieses, dafür aber ein anderes Studium (37 Prozent) erfolgreich abschlossen. Laut IHS ein Indiz dafür, dass das Studium oft zusätzlich zu einem anderen betrieben wird. Auch beim Diplomstudium Jus zeigte sich damals, dass nur 27 Prozent nach neun Jahren einen Abschluss hatten, aber 17 Prozent der Anfänger von einst einen anderen Studienabschuss gemacht hatten (und mehr als 13 Prozent noch inskribiert waren).

Für die Studentenvertretung sind es ohnehin "die hohen Durchfallquoten, die das Studium verzögern", wie Elias Schmidt, der Vorsitzende der Fakultätsvertretung, im SN-Gespräch erläutert. Darauf, dass viele nur nebenberuflich studieren, verweist auch er: "Die Kombination Beruf plus Studium ist schwierig, viele müssen daher aufgeben." Dass ein strengeres Aufnahmeverfahren zu einer geringen Drop-out-Quote führen würde, glaubt der Studentenvertreter nicht: "Man studiert Jus nicht aus Spaß." Das Studium werde nicht leichtfertig aufgenommen. Was gegen die hohe Aussteigerquote getan werden könnte? "Die hohen Durchfallraten sollten evaluiert werden. Es sollte mehr Vorbereitungskurse geben. Und es sollten mehr Lehrveranstaltungen am Abend angeboten werden, was den Berufstätigen das Studium erleichtern würde", sagt Schmidt.

An den juridischen Fakultäten heißt es, dass man bereits "gezielt Akzente" setze, um den Übergang von der Schule an die Uni einfacher zu gestalten. Von Mentoring-Programmen durch erfolgreiche Höhersemestrige bis zu Online-Orientierungsveranstaltungen schon im Sommer und intensiver Betreuung der Neuen zu Semesterbeginn.

Für jene, die im juristischen Feld bleiben, aber das Studium nicht abschließen wollen, gibt es in Innsbruck seit Kurzem Studienlehrgänge für Kanzleiassistenz in Notariaten oder Anwaltskanzleien. Eine strenge Auslese wie beim Medizinstudium auch für angehende Juristen? Das findet an den Fakultäten wenig Zustimmung: "Auch wenn das die Abschlussquoten verbessern würde: Die Republik tut gut daran, jenen, die Jus studieren wollen, die Möglichkeit zu geben. Solange wir nicht überlaufen werden", sagt Obwexer. Das Gelernte sei auch nicht verloren. Denn: "Ein Grundwissen, wie der Rechtsstaat funktioniert, bleibt", ist er überzeugt.