Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) gab Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) am Mittwoch vor dem Sommerministerrat volle Rückendeckung: Jener Brief, in dem 28 Außenministerinnen und Außenminister Israel zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts in Gaza auffordern und den auch Österreich unterzeichnet hat, "wiederholt die Position Österreichs und ist keine Änderung", stellte Stocker klar. Man stehe klar an der Seite Israels und wisse, dass "Friede in der Region leicht erreichbar ist, wenn die Hamas die Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt". Auf der anderen Seite sehe man, dass die humanitäre Situation in Gaza nicht erträglich sei. "Die Zivilbevölkerung darf hier nicht den Preis zahlen", sagte er.
Das Vorgehen der Außenministerin sei "natürlich abgestimmt", betonte Stocker. Es gebe keine Unstimmigkeiten innerhalb der Koalition. "Ich habe Verständnis, dass nach einem Haarriss in der Koalition gesucht wird. Aber das ist kein Haarriss." So sieht das auch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ). "Mit der Konsequenz, mit der wir die Hamas und ihren Terror verurteilen, haben wir auch den Zugang, dass humanitäre Hilfe in Gaza gewährleistet sein muss", betonte er.
Meinl-Reisinger: "Die Hamas ist eine Terrororganisation, das ist völlig klar"
Meinl-Reisinger hatte bereits Montagabend in der "ZiB 2" versichert, dass die Erklärung "kein Paradigmenwechsel" der österreichischen Nahost-Politik sei. Kritik, wonach die Erklärung die radikalislamische Hamas stärke, wies die Ministerin als "absurd" zurück. Die Hamas sei eine "Terrororganisation, das ist völlig klar".
Kritiker sehen in der Erklärung eine Stärkung der Hamas
David Roet, Israels Botschafter in Österreich, etwa sagt in der "Presse" vom Mittwoch: "Diese Erklärung zu so einem heiklen Zeitpunkt zu veröffentlichen, bringt uns einem Waffenstillstand nicht näher. Im Gegenteil, sie ermutigt und verhärtet die Hamas-Terroristen." So sehen es unter anderem auch Ariel Muzicant, Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, und Ex-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).
Meinl-Reisinger wiederum betonte, der Inhalt der Erklärung sei das, "was ich seit Monaten sage". Österreich stehe an der Seite Israels, "gleichzeitig verschließen wir die Augen nicht vor der humanitären Lage in Gaza". Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, jedoch müsse "das Töten ein Ende haben".
Deutschlands Außenminister hat den Brief nicht unterschrieben
Unterzeichnet wurde der Brief von Außenministerinnen und -ministern aus insgesamt 28 Ländern. Gefordert wird in der gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Ende des Krieges. "Der Krieg in Gaza muss jetzt beendet werden", heißt es in dem Text. Auch das Vorgehen der israelischen Regierung bei den Hilfslieferungen wurde kritisiert. Nicht unterzeichnet hat den Brief Deutschland. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verteidigte das Vorgehen seiner Regierung. Man habe schon lange vorher im Europäischen Rat genau diese Position eingenommen, sagte er. Der Koalitionspartner SPD zeigte sich sehr unzufrieden mit der Haltung von Merz. Das klare Signal der 28 Staaten sei richtig, Deutschland solle sich der Initiative anschließen "und hier nicht ausscheren", hatte es von SPD-Seite geheißen.
