Vor drei Monaten stürmte die Polizei ein antifaschistisches Camp in Kärnten. Der Aufschrei war groß, nicht nur weil der Einsatz als unbegründet und unverhältnismäßig gewertet wurde, sondern weil er an der NS-Gedenkstätte Peršmanhof stattfand. Dort verübten SS-Polizisten im April 1945 ein Massaker an elf Zivilisten.
An der Gedenkstätte finden regelmäßig Veranstaltungen statt, im Juli trafen sich dort Jugendliche und junge Erwachsene zu einem Bildungscamp. Nach vermeintlichen Beschwerden von Nachbarn hatte die Polizei das Camp an jenem Sonntag geräumt. Ein Großaufgebot aus Spezialkräften der SIG, ein Polizeihundeteam, Streifenbeamte und Mitglieder des Verfassungsschutzes waren vor Ort - genauso wie der Völkermarkter Bezirkshauptmann. Geleitet wurde der Einsatz vom stellvertretenden Chef des Kärntner Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), dessen Verhalten seither unter großer Kritik steht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann wegen Amtsmissbrauchs.
Fehlverhalten von drei Personen: Bericht hat 100 Seiten
Der Einsatz am 27. Juli hätte nicht stattfinden dürfen, urteilt eine Analysekommission in einem 100-seitigen Bericht. Schon der Anlass des Einsatzes steht infrage: Es sei nicht klar, ob es überhaupt Beschwerden von Nachbarn der Gedenkstätte gab. "Wir haben festgestellt, dass diese von der Polizei nicht dokumentiert worden sind", stellte der Leiter der Kommission, Sektionschef Mathias Vogl, auf einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag im Innenministerium klar. Weiter habe der LSE-Beamte den Einsatz nicht mit Vorgesetzten abgestimmt und diesen geleitet, "obwohl er dafür weitgehend nicht zuständig war".
Fehlverhalten wird aber auch dem Bezirkshauptmann und dem Leiter der Außenstelle Kärnten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) attestiert. Dies werde derzeit geprüft und an die zuständige Disziplinarbehörde weitergegeben.
Teilweise rechtswidriger Einsatz: Bedauern ja, Entschuldigung nein
Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit habe dem slowenischen Botschafter eine lückenlose Aufklärung des Einsatzes versprochen. Dieses Versprechen sehe er mit der Arbeit der Analysekommission nun erfüllt. Er teilte vor Journalistinnen und Journalisten am Donnerstag mit, dass er dem Botschafter sein Bedauern über das Fehlverhalten des LSE-Beamten mitgeteilt habe. Ob dies einer Entschuldigung gleichkäme, wollte er sich auf Nachfrage nicht äußern. Auch Innenminister Karner entschuldigte sich am Donnerstag nicht öffentlich, sondern verwies stattdessen mehrfach darauf, dass die "übrigen Polizisten" während des Einsatzes gute Arbeit geleistet hätten. "Eine zeitgemäße Fehlerkultur ist bei uns Tagesgeschäft. Das ist der Grund, warum die Polizei in Österreich dieses Vertrauen genießt", sagte der Minister.
Der vierstündige Großeinsatz an einer wichtigen Gedenkstätte für den Widerstand slowenischer Partisanen gegen das NS-Regime hatte für massive Kritik - auch aus dem slowenischen Nachbarland - gesorgt. Grundlage für den Einsatz war der Verdacht von Verwaltungsübertretungen durch falsch aufgestellte Zelte.
Laut Kommissionsleiter Vogl habe der LSE-Beamte das Camp "pauschal als linksextrem" eingestuft und damit den Einsatz auch gerechtfertigt. Für die Kommission sei jedoch klar: Der Beamte habe sich an jenem Tag in den Dienst gestellt, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen.Kommission empfiehlt: Polizisten sollen Geschichte des Peršmanhofs lernen
Die Expertenkommission hat eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, um derartige Einsätze künftig zu verhindern. Zum Beispiel sollen sich angehende Polizeibeamte künftig im Rahmen der Ausbildung mit der Geschichte des Peršmanhofs beschäftigen. Die Kommission habe im Rahmen ihrer Arbeit 500 Dateien mit 14 Terabyte an Videomaterial ausgewertet - darunter auch Aufnahmen von Bodycams der Polizisten. Außerdem seien zahlreiche Gespräche geführt worden.
Laut einer Anfragebeantwortung des Innenministeriums waren insgesamt 20 Einsatzkräfte beteiligt. Damit kam auf fünf beamtshandelte Personen eine Polizistin bzw. ein Polizist. Planung, Vorbereitung, Durchführung sowie Nachbereitung der Polizeiaktion erforderten insgesamt knapp 332 Dienststunden. Der gesamte Kostenaufwand wurde mit 14.727 Euro beziffert, 1241 Euro davon kostete der Einsatz des Polizeihubschraubers