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Neos steigen aus Regierungsverhandlungen aus: Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld zu

Der Freitag startet mit weitreichenden Folgen für das Land: Die Neos steigen aus den Koalitionsverhandlungen aus, wie Parteichefin Beate Meinl-Reisinger am Freitag bei einer Pressekonferenz erklärte. Die Dreierkoalition mit ÖVP und SPÖ ist damit Geschichte. Die ÖVP sieht die Schuld bei der SPÖ. Die FPÖ fordert Karl Nehammer zum Rücktritt auf.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger verkündete am Freitag den Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger verkündete am Freitag den Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ.

Nun ist also wahr geworden, was sich bereits seit zwei Wochen ankündigt hatte. Wie die "Salzburger Nachrichten" am Freitag erfuhren, steigen die Neos aus den Regierungsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ aus. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte stets betont, dass man nur dann in eine Regierung gehen werde, wenn man eine klare liberale Handschrift hinterlassen könne. Diesen Anspruch wiederholte sie auch bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag.

Lage sei "mehr als instabil"

Die eigentliche Botschaft, dass die Neos die Regierungsverhandlungen verlassen, zögerte die Neos-Chefin lange hinaus. "Es sind sehr herausfordernde Zeiten, in denen wir leben", leitete sie die Pressekonferenz ein. Österreich erlebe die Folgen einer tiefsitzenden Wirtschaftskrise. Viele Unternehmen könnten ihre Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen, viele Menschen bangten um ihren Job. Auch die Steigerungen der Energiepreise würden viele Menschen tagtäglich vor existenzielle Herausforderungen stellen. Die Lage in Europa sei "mehr als instabil", betonte Meinl-Reisinger mit Blick auf die Ukraine, Nahost, die USA. Die Welt sei Anfang 2025 alles andere als gewöhnlich - das gelte in diesem Sinne nicht minder auch für Österreich.


Die Wahl am 29. September habe gezeigt, dass die Menschen Veränderung und Reformen wollten, so Meinl-Reisinger. Das klaffende Loch im Budget, das die Neos in dieser Größe selbst überrascht habe, wie die Neos-Chefin einräumte, habe die Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ aber nicht einfacher gemacht.
"Wir sind in diese Gespräche gegangen mit dem Wissen, dass uns ein Arm am Rücken gebunden ist", so Meinl-Reisinger. "Ich mache mir ernsthafte Sorgen", betonte die Neos-Chefin im Hinblick auf Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit.
Man müsse nun eigentlich alles daransetzen, Österreich "back on track" zu bekommen. In den Verhandlungen sei das allerdings schwierig gewesen.

Beate Meinl-Reisinger: "Habe bis gestern Nacht Vorschläge gemacht"

"Wir hatten immer ein Ziel: mehr als nur das Nötige zu schaffen", so Meinl-Reisinger. Bis gestern Nacht habe man den anderen Verhandlern Vorschläge gemacht, wie man Österreich weiterbringen könne. Knackpunkte scheinen dabei vor allem Pensionen, Wirtschaft und Föderalismus gewesen zu sein.

"Wir sind nicht naiv, wir wussten, dass Regierungsverhandlungen auch Kompromisse erfordern", so die Neos-Chefin. Dazu sei man bereit gewesen. Auch an die eigene Partei habe Meinl-Reisinger appelliert, Kompromisse einzugehen.

In den letzten Tagen sei aber der Eindruck entstanden, dass man sich in den Knackpunkten nicht einig werden könne. Es seien nicht nur keine Fortschritte, sondern sogar Rückschritte gemacht worden: "Rückschritte, die bedeuten, dass aus einem Kein Weiter-wie-bisher, doch ein Weiter-wie-immer werden könnte."
Trotz intensiver Verhandlungen konnte demnach kein Durchbruch erzielt werden: "Für grundsätzliche Reformen gab es in dieser Woche mehrfach ein Nein."

Neos steigen offiziell aus Verhandlungen aus

Freitagfrüh habe sie Kanzler Karl Nehammer, SPÖ-Parteiobmann Andreas Babler und Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den eigenen Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen informiert. Als Partei stehe man aber bereit, künftig alles zu unterstützen, was man bisher gemeinsam erarbeitet habe, etwa Reformen im Bildungsbereich.

Explizit dankte die Neos-Chefin Karl Nehammer für die Gespräche. Auch der Sozialdemokratie dankte sie, ohne dabei explizit auf SPÖ-Chef Andreas Babler einzugehen.

ÖVP-Generalsekretär sieht Schuld auch bei SPÖ

Welche Konsequenzen der Absprung haben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Beobachter gehen davon aus, dass ÖVP und SPÖ eine Zweierkoalition versuchen werden. Sie haben im Parlament allerdings nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat.

Schon während der Rede der Neos-Chefin äußerte sich ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zum Aus der Verhandlungen und kritisierte die Verhandler der SPÖ. "Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt. Während sich Teile der Sozialdemokratie konstruktiv eingebracht haben, haben in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ überhandgenommen, und damit erreicht, dass sich die NEOS aus den Verhandlungen zurückgezogen haben", heißt es in der Aussendung.

FPÖ fordert Nehammer zum Rücktritt auf

Auch die FPÖ meldete sich nach der Pressekonferenz von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger prompt zu Wort - und forderte Kanzler Karl Nehammer zum Rücktritt auf. "Nehammer muss sich umgehend zu den Vorgängen äußern. Er verursacht stündlich größeren Schaden. Sollte der in den Seilen hängende Kanzlerdarsteller nun sogar weitere Spielchen zur Bildung einer instabilen Verlierer-Variante - entweder ein Zweiermodell mit der SPÖ oder eine neue Verlierer-Ampel mit den Grünen anstelle der Neos - betreiben, dann möchte ich ihm verdeutlichen: Die Menschen haben die Nase voll! Es ist Zeit für Ihren Rücktritt, Herr Nehammer!", heißt es laut einer Aussendung des freiheitlichen Parlamentsklubs von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz.

FPÖ-Chef Herbert Kickl teilte auf Facebook die Forderung zum Rücktritt Nehammers.

Und auch Heinz-Christian Strache stellte nach dem Abtreten der Neos Forderungen in Richtung der ÖVP.

Kogler fordert Aufklärung

Auch Grünen-Chef Werner Kogler hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Auf dem sozialen Medium X fordert er von den beteiligten Parteien weitere Aufklärung zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen. Die Frage, ob die Grünen prinzipiell als neuer Koalitionspartner zur Verfügung stehen würden, klärte Kogler nicht.

Wir berichten hier laufend über die aktuellen Entwicklungen.