Vor einigen Jahren erzählte mir ein Freund, dass er nächsten Dienstag keine Zeit haben würde, weil um 14 Uhr ein Angehöriger sterben werde - assistierter Suizid. Ich kannte auch den Menschen, der gegangen ist, und erlebte vor diesem finalen Schritt Tage, in denen mich das Thema nicht mehr losließ. Ich las alles, was es dazu gab, fühlte mich hilflos, malte mir die Situation des Menschen, der die Möglichkeit des assistierten Todes nutzen wollte, genauso aus wie jene der Angehörigen. Es war ein emotionaler Ausnahmezustand.
Diese Woche hat ein Interview des prominenten Schriftstellers, Lehrers und Journalisten Niki Glattauer für Schlagzeilen gesorgt. Er ist tot. Er wollte, dass sein Interview über seine Entscheidung zwei Tage vor seinem Sterben erscheint. In Redaktionen wie den "Salzburger Nachrichten" entscheiden Redakteurinnen und Redakteure gemeinsam mit der Chefredaktion, ob und wie wir Themen bringen - in sachlichen Diskussionen, in denen Fakten und handfeste Argumente geprüft, abgewogen und manchmal erstritten werden. Bei diesem Thema ging das nicht. Wir würden uns etwas vormachen, zu behaupten, dass Emotionen hier keine Rolle gespielt haben. Es geht hier nicht darum, zu urteilen, ob andere Medien richtig oder falsch gehandelt haben, sondern darum, Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, zu erklären, warum wir den Wunsch Glattauers, über das Tabuthema assistierter Suizid zu berichten, erfüllen wollen, aber nicht 48 Stunden lang in unserem Medium sein Sterben verhandelt haben. Die Kollegenschaft und ich haben es als Zumutung empfunden, über das freiwillige Sterben eines Menschen wie in einer Show samt Countdown zu berichten. Wir respektieren die höchstpersönliche Entscheidung Herrn Glattauers, aber wir haben auf die Maximierung der Aufmerksamkeit verzichtet, weil wir eine Verantwortung wahrnehmen wollen. Wir wollen Sie nicht emotional bis aufs Äußerste reizen, damit Sie etwas lesen, und wir wollen auch Lösungen anbieten. Im Fall des Berichtens über Suizid ist das übrigens die wesentliche Forderung von Psychiatern - "schreibt immer auch über andere Möglichkeiten". Jetzt ist assistierter Suizid etwas anderes als nicht assistierter, aber welche Möglichkeiten bleiben einem Menschen noch, wenn er zwei Tage vor seinem geplanten Tod diesen in Zeitungen in ganz Österreich erklärt?
Die Innenpolitik-Ressortchefs Maria Zimmermann und Marian Smetana haben sich in tagelanger Recherche das Thema angeschaut, wo wir stehen, wo die Bruchlinien sind, wie es weitergehen kann.