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Terrorbekämpfung: Regierung einigt sich auf Messenger-Überwachung, manche Neos-Abgeordnete dagegen

Die Bundesregierung hat sich nach langen Verhandlungen auf die umstrittene Überwachung von Messenger-Diensten geeinigt. Kritik gab es vor allem von den Neos. Tatsächlich werden nicht alle pinken Abgeordneten dafür stimmen.

Gezielte Überwachung von Messenger-Kommunikation wird möglich, der Innenmisniter spricht von einem „Meilenstein der Terrorabwehr“ in Österreich.
Gezielte Überwachung von Messenger-Kommunikation wird möglich, der Innenmisniter spricht von einem „Meilenstein der Terrorabwehr“ in Österreich.

Sie wurde schon lange von der Polizei gefordert, von Datenschützern heftig kritisiert, sorgte immer wieder für heiße politische Debatten und wurde einst vom Verfassungsgerichtshof gekippt: die Überwachung von Messenger-Diensten. Speziell nach Terroranschlägen und vereitelten Attacken von Terroristen wiesen Polizei und Innenministerium immer wieder darauf hin, dass die digitale Kommunikation zwischen Gefährdern über Messenger-Dienste wie WhatsApp, Telegram oder Signal für die Ermittler ein blinder Fleck sei. Datenschützer hingegen warnten vor zu viel Macht für die Ermittlungsbehörden, die sich, um Messenger-Dienste mitlesen zu können, mittels Schadsoftware Zugang auf das Handy verschaffen müssten. Und - so die Befürchtung - damit auch Zugriff auf alle anderen Daten bekämen. Auch von Dritten.

Unter strengen Voraussetzungen möglich

Nun hat sich die Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos auf die Überwachung von Messenger-Diensten geeinigt, wie sie am Mittwoch bekannt gab. Und zwar unter strengen Voraussetzungen. Vor allem die Neos hatten grundrechtliche Bedenken. Laut SN-Informationen wurden im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesentwurf tatsächlich viele Bedenken der Neos ernst genommen. So muss etwa ein Dreiersenat aus Richtern über den Einsatz entscheiden. Auch der Prüfzeitraum, um die geeinigte Software bei Sicherheits IT-Firmen zu kaufen und das Programm auch zu prüfen, wurde verlängert. Ebenso wird der Rechtsschutz massiv ausgebaut.

"Ein enormer Schritt gelungen"

"Uns war immer wichtig, dass wir eine verfassungskonforme Lösung finden", betonte Parteichefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Die Details will Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in Bälde präsentieren."Es ist ein enormer Schritt, der hier gelungen ist", so Meinl-Reisinger. Es sei eine gezielte Überwachung mit "extrem starker parlamentarischer Kontrolle und starken Konsequenzen bei Missbrauch", betonte sie nach dem Ministerrat.

ÖVP-Innenminister Gerhard Karner nannte die nun erzielte Einigung einen "Meilenstein der Terrorabwehr in Österreich". Die Gefährderüberwachung soll nur dann stattfinden, "wenn es für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist", betonte Karner bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Voraussetzungen für die Überwachung seien "bewusst sehr eng gefasst" worden, denn "wir machen das nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir die Chance haben wollen, Terroristen auf Augenhöhe zu begegnen", sagte Karner.

Dem pflichtete auch SPÖ-Staatssekretär für Staatsschutz Jörg Leichtfried bei. Die Überwachung solle ausschließlich dann verwendet werden, wenn Gefahr im Verzug sei. Klar sei aber: "Das ist ein Grundrechtseingriff", und jeder Eingriff dieser Art brauche Rechtsschutz und Missbrauchsschutz, weshalb bei missbräuchlicher Verwendung mit harten Strafen zu rechnen sei.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, ÖVP-Chef Christian Stocker und SPÖ-Chef Andreas Babler.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, ÖVP-Chef Christian Stocker und SPÖ-Chef Andreas Babler.

Zwei Neos-Abgeordnete sind nach wie vor dagegen

In langen Verhandlungen haben sich also nun die drei Regierungsparteien auf die Messenger-Überwachung trotz der pinken Kritik geeinigt. Doch nicht alle Neos-Abgeordneten sind überzeugt. Stephanie Krisper und Nikolaus Scherak kritisieren immer wieder die Messenger-Überwachung. Scherak brachte die Überwachungsmethode, die von ÖVP und FPÖ bereits einmal 2018 beschlossen wurde, sogar vor den Verfassungsgerichtshof. Dieser kippte dann den sogenannten Bundestrojaner. Stephanie Krisper hat ebenfalls nach wie vor Bedenken: "Messenger-Überwachung macht uns nicht sicherer, im Gegenteil: Verfassungswidrigkeit und Gefahren dräuen", schreibt sie auf der Social-Media-Plattform Sky.

Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper
Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper

Die grundsätzlichen Fragen blieben weiterhin bestehen: "Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit?" Denn ein Zugriff, der sich mittels Schadsoftware nur auf die verschlüsselte Handyüberwachung beschränkt sei technisch nicht möglich. Jemand, der Zugang zu Messenger-Diensten habe, könne technisch gesehen das gesamte Handy ausspionieren und somit auch die Kommunikation von Unbeteiligten auslesen, so das Argument der Kritiker.

"Staat wie ein Cyberkrimineller"

Der bereits 2018 beschlossene Bundestrojaner wurde genau aus diesem Grund vom Höchstgericht gekippt. Solche Spionageprogramme werden über sogenannte Phishing-Nachrichten verbreitet. Dabei erhält die Zielperson eine SMS, durch die sie dazu verleitet wird, auf einen Link zu klicken. So wird das Programm heimlich installiert. Warum nutzt man eine Hintertür? Im Gegensatz zur klassischen Telekommunikation, also der Telefonie oder dem SMS-Dienst, wird bei den Messenger-Diensten - Telegram, Signal oder WhatsApp - die Kommunikation zwischen den beiden Geräten so verschlüsselt, dass sie nicht einmal der Anbieter einsehen kann. Die Polizei kann also nicht, wie bei der klassischen Telefonüberwachung, zum Telefonanbieter gehen und sich Zutritt zur Kommunikation verschaffen. "Der Staat verhält sich mit dem Bundestrojaner wie ein Cyberkrimineller, der Sicherheitslücken ausnutzt", kritisierte etwa der Cybersicherheitsexperte Dominik Polakovics von der Datenschutz-NGO epicenter.works einst die Regierungspläne im SN-Gespräch. "Exploit chains, also eine ganze Verkettung von Sicherheitslücken, die notwendig sind, um in ein solches System zu kommen, werden auf dem Schwarzmarkt Hackern abgekauft, um sie nutzen zu können", sagte Polakovics. "Eigentlich finanzieren wir Leute, die unsere Systeme unsicherer machen." Könnte der Staat nicht selbst ein solches Programm schreiben? "Das ist komplex und teuer. Deshalb kaufen vor allem kleine Staaten meist bei privaten Anbietern." Dies ist wiederum für Datenschützer problematisch. Denn: Wer weiß, wer wirklich hinter manchen Firmen steckt? Manche Staaten - etwa Deutschland - entwickeln auch selbst solche Programme. Wie dieses genau arbeitet, ist streng geheim. Woher also dieses Programm kommen soll, ist für die Kritiker ebenfalls ein relevanter Punkt. Neos-Abgeordnete Krisper meint, dass man um dieses Budget - es sind 50 Millionen nur für den Start budgetiert - die bereits bestehenden Möglichkeiten des Staatsschutzes ausbauen müsse. Denn: "Woher will man vertrauenswürdige Anbieter für die Schadsoftware nehmen?"

Koalitionspartner sehen pinke Revolte gelassen

Zu Fall bringen können zwei Abgeordnete das Gesetz nicht. Ein solches hätte auch ohne Krisper und Scherak die Mehrheit im Nationalrat. In den anderen Fraktionen sorgt die Kritik deshalb nicht für großen Wirbel. "Sie leben das freie Mandat noch wirklich", sagt ein roter Koalitionspartner augenzwinkernd den SN. Im restlichen pinken Klub akzeptiert man ebenfalls die interne Kritik. Auch wenn man betont, dass sie eine Minderheitenmeinung sei.

FPÖ ortet "Angriff auf alle Bürger"

Scharfe Kritik kam von den Freiheitlichen. Generalsekretär Michael Schnedlitz sieht "nichts anderes ist als den Einstieg in die totale digitale Überwachung der Bevölkerung". Die ÖVP wolle "regierungskritische Bürger ausspionieren, die SPÖ schweigt - wie immer, wenn es gegen das Volk geht - und die NEOS machen den größten Umfaller ihrer Geschichte", wird er in einer Aussendung zitiert. Hinter der nunmehrigen Unterstützung der NEOS sieht er einen Deal: "Was hat es gekostet? Welche Posten, Zusagen oder Grauslichkeiten wurden in den Hinterzimmern versprochen, damit die NEOS nun 'rosarote Stützräder' für den schwarzen Überwachungsstaat spielen?"