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Viele Bürgermeisterinnen werden zur Kandidatur "überredet"

Eine aktuelle Gemeindebund-Umfrage unter 318 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zeigt, dass es noch immer massive Geschlechterunterschiede in diesem Berufsfeld gibt. So wird jede vierte Bürgermeisterin zu ihrer Kandidatur "überredet".

Gemeindebundpräsident Alfred Riedl, Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle, Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher.
Gemeindebundpräsident Alfred Riedl, Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle, Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher.

Von Donnerstag bis Freitag treffen Bürgermeisterinnen aus ganz Österreich zu einer Bundestagung in der Hofburg in Wien zusammen. Im Vorfeld zu diesem Ereignis unter der Schirmherrschaft von Frauenministerin Susanne Raab und Doris Schmidauer, Gattin des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, wurde eine Studie zum Thema Gleichstellung, allgemeine Herausforderungen und Antrieb der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vom Gemeindebund in Auftrag gegeben. Die Studie wurde von Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle durchgeführt.

Große Geschlechterunterschiede gibt es bei der Motivation

Bürgermeister(in) werden ist nicht (mehr) schwer, es zu sein dagegen sehr - so sinnfällig könnte man die Situation beschreiben. Immer mehr Männer können mit dem Job "Bürgermeister" nichts mehr anfangen und so finden auch Frauen verstärkt Gehör, die jedoch müssen oftmals erst überredet werden, damit sie überhaupt kandidieren. Knapp 27 Prozent der Bürgermeisterinnen gaben bei der Studie an, nicht eigenmotiviert kandidiert zu haben, sondern "überredet" worden zu sein. Dagegen war dies nur bei 9,5 Prozent der männlichen Kollegen der Fall. Das Amt selbst hat an Attraktivität eingebüßt, da die steigende rechtliche Verantwortung, der steigende Anspruch der Bevölkerung bis hin zu überbordender Bürokratie und Finanzproblemen immer mehr Arbeitsaufwand verlangen. 70 Prozent der Studienteilnehmer sind der Meinung, als Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu wenig Privatleben zu haben.

Beleidigungen und hohe Erwartungen verleiden Frauen das Amt

Nicht nur fehlende Motivation ist ein Problem. Frauen haben als Bürgermeisterinnen tendenziell mit mehr Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffen zu kämpfen als Männer. Bei den Frauen waren es mehr als 70 Prozent und bei den Männern knapp 60 Prozent. Zusätzlich gaben viele Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer an, dass die Erwartungen an Bürgermeisterinnen viel höher seien und dass sich Frauen viel stärker beweisen müssen im Vergleich zu den Männern: "Das Bewusstsein für Frauenförderung ist bei den Verantwortlichen noch nicht ausreichend angekommen. Wenn 83 Prozent der Bürgermeister meinen, an ihre Kolleginnen würden dieselben Anforderungen gestellt, verkennen sie die Lebensrealität von Frauen in der Politik", sagt Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Die Lebensrealität von Frauen in der Politik muss Beachtung finden

Laut Stainer-Hämmerle zeigt die Studie ganz klar, dass es ordentlich Aufholbedarf in der Gesellschaft und Politik gibt. Es sollen die Hürden für Frauen sichtbar gemacht werden und diskriminierende Rollenbilder müssen durchbrochen werden, so die Politikwissenschafterin: "Gute, zukunftsfähige Politik ist nur möglich, wenn alle mitreden und mitentscheiden." - Und das ist eben nur der Fall, wenn sich auch Frauen zu gleichen Teilen in wichtigen Ämtern engagieren.

Doch es werden immer mehr

So bewerten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihr Amt als durchaus lohnend. Das Schönste an dem Job seien die Gestaltungsmöglichkeiten, der Kontakt mit Menschen und das direkte Feedback. Das scheinen auch immer mehr Frauen so zu sehen, denn seit Jahren steigt die Zahl der Bürgermeisterinnen: "Als ich vor über 20 Jahren zur Bürgermeisterin gewählt wurde, gab es in Österreich gerade einmal 45 Bürgermeisterinnen - heute sind es 202. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind um ein Drittel mehr Bürgermeisterinnen dazugekommen. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Jede weitere Initiative ist willkommen, um Frauen zu ermutigen, sich mehr zuzutrauen", sagt Sonja Ottenbacher, Bürgermeisterin und Initiatorin des jährlichen Bürgermeisterinnentreffens.