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Alaska-Treffen zur Ukraine: Nicht ohne Europa, Mr. President

Friedrich Merz wollte vor dem Alaska-Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin im letzten Moment eine einheitliche Front gegen den Kreml-Chef organisieren - und präsentierte dabei Wolodymyr Selenskyj als Überraschungsgast in Berlin.

Der ukrainische Präsident nahm neben Friedrich Merz persönlich in Berlin an der Videokonferenz teil.
Der ukrainische Präsident nahm neben Friedrich Merz persönlich in Berlin an der Videokonferenz teil.

Kurz vor zehn Uhr am Vormittag informiert die deutsche Bundesregierung am Mittwoch, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich nach Berlin kommt, zur Vorbereitung des Treffens der Präsidenten Donald Trump (USA) und Wladimir Putin (Russland) am Freitag in Anchorage. Kurz nach halb vier am Nachmittag präsentiert Kanzler Friedrich Merz gemeinsam mit Selenskyj die Ergebnisse des digitalen Gesprächs der Europäer mit dem US-Präsidenten und dessen Vize J. D. Vance. Es wird ein kurzer Auftritt mit zwei zentralen Botschaften, die Merz präsentiert: "Es gibt Hoffnung auf Bewegung." Und: "Trump kennt die Vorstellungen der Europäer und teilt sie weitgehend."

"Außergewöhnlich konstruktives und gutes" Gespräch mit Trump

Beides sagt Merz. Und beides ist von bedingter Konkretion. Denn man kann sich nun aussuchen, welche der fünf Forderungen der Europäer Trump übernimmt - und welche nicht. Merz zählt sie auf, von der unbedingten Teilnahme der Ukraine an Folgetreffen bis zur Erhöhung des Drucks durch Europa, falls es "in Alaska keine Bewegung" gebe. Dazwischen: "Ein Waffenstillstand muss am Anfang stehen." Und: Die Ukraine sei "zu Verhandlungen über territoriale Fragen bereit", aber: "Eine rechtliche Anerkennung russischer Besetzungen steht nicht zur Debatte." Und: Kiew müsse "robuste Sicherheitsgarantien" erhalten. Insgesamt nennt der Kanzler das Gespräch mit Trump "ein außergewöhnlich konstruktives und gutes".

Selenskyj fordert Druck auf Russland

Selenskyj dankt Deutschland für diesen Friedensbeitrag und meint besonders Merz, den er "lieber Friedrich" nennt. Und er zitiert sich selbst: "Ich habe dem amerikanischen Präsidenten gesagt: Putin will keinen Frieden, er möchte uns besetzen, komplett." Daraus folge: "Wir brauchen Druck, Druck, Druck."
Ein Versprechen immerhin hat Trump gegeben, das sagen beide: Nach Anchorage will er zuerst Selenskyj informieren und dann die Europäer. "Und wir werden", sagt Selenskyj, "unsere weiteren Schritte besprechen."

Die Bilder aus Berlin senden eine klare Botschaft

Die ersten haben er und Merz schon gegen Mittag getan, zum Teil wortwörtlich. Merz holt Selenskyj vom Hubschrauber ab, die beiden umarmen sich, beginnen sofort ein Gespräch, und während sie plaudernd über den Rasen aufs Kanzleramt zusteuern, legt Merz Selenskyj noch einmal den linken Arm um die Schultern, was wegen des deutlichen Längenunterschieds ein bisschen speziell aussieht.

Die Botschaft ist klar: Deutschland steht zur Ukraine. Und weil sich Merz als neue europäische Spitzenführungskraft begreift, bedeutet das auch: Die EU steht zur Ukraine, dazu das Vereinigte Königreich, dessen Premier Keir Starmer an den drei Videoschaltungen teilnehmen wird, die einem kleinen Mittagessen der beiden folgen werden; erst die Europäer samt Selenskyj unter sich, eine Stunde später dann alle plus Trump und Vance und nach weiteren 90 Minuten die Koalition der Willigen samt dem Ukrainer.

Adressat des Auftritts ist außer Putin auch Trump gewesen. Der Russe soll wissen: Europa ist einig und Merz vorneweg, egal ob Ungarns Viktor Orbán wieder einmal quertreibt. Und der Amerikaner gewarnt sein: Entscheide nichts ohne Europa!