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Das ist der neue Kanzler

Die Sozialdemokratie hat sich entschieden. Der neue Bundeskanzler wird Christian Kern heißen. Bereits kommende Woche soll er angelobt werden. Aber wer ist der Mann eigentlich?

Christian Kern mit seiner Ehefrau Evelyn Steinberger-Kern. 
Christian Kern mit seiner Ehefrau Evelyn Steinberger-Kern. 

Clever und Smart. Das ist der Titel einer Comic-Serie des spanischen Zeichners Francisco Ibáñez, die seit 1958 existiert. Mit den Hauptfiguren des Comics, Fred Clever und Jeff Smart, hat Christian Kern nicht viel gemeinsam. Schließlich sind die zwei Hauptfiguren Geheimagenten des T.I.A. (Trans-Internationaler Agentenring). Beim Titel sieht es schon etwas anders aus. Clever und smart, das sind zwei Eigenschaften, die auf den derzeitigen Noch-ÖBB-Chef und zukünftigen Kanzler der Republik Österreich durchaus zutreffen. Schicke Anzüge, gepflegte Sprache und souveränes Auftreten gehören ebenso zu Kern, der am 4. Jänner 1966 geboren wurde, wie ein Gespür für Macht und die richtigen Verbindungen und Netzwerke. Dazu kommt, dass Kern ein Arbeitstier ist. Eigenschaften, aus denen Kanzler gemacht sind. Obwohl: Erst vor Kurzem sagte er noch: "Meine Lust auf den Sessel des Bundeskanzlers ist ungefähr so groß wie auf Schlammwrestling."

Kern ist tief in der Sozialdemokratie verankert. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie im Wiener Bezirk Simmering, was er auch immer wieder betont. Der Vater Elektroinstallateur, die Mutter Sekretärin. Seine ersten politischen Erfahrungen machte er in der Schule als Klassensprecher im Simmeringer Gymnasium, und er war auch bei der Gründung einer grünen Alternativen Liste engagiert. Anschließend studiert er Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Kern werkte beim Verband Sozialistischer StudentInnen und wurde Chefredakteur der "Rotpress", dem Blatt des VSStÖ.

Seine journalistische Karriere führt Kern vorerst beim Wirtschaftspressedienst und beim Wirtschaftsmagazin "Option" fort. Im Jahr 1991 wechselt er dann in die Politik und wird Assistent von Peter Kostelka, der damals Staatssekretär im Bundeskanzleramt ist. Später, als Kostelka zum Klubchef aufsteigt, wird Kern dessen Büroleiter und Pressesprecher. Von dort kommt er zum Verbund, dort wurde er 2007 Vorstand. Im Juni 2010 wurde er an die Spitze der Österreichischen Bundesbahnen berufen.

ÖBB-Chef zu sein ist nicht die schlechteste Vorbereitung auf eine politische Spitzenkarriere. Der Chefsessel im Staatsunternehmen ist eine hochpolitische Angelegenheit. Zum einen weil Bund und Länder zu den wichtigsten Partnern gehören, zum anderen weil die großen Industriebetriebe des Landes zu den Kunden der ÖBB zählen. Das sind gute Voraussetzungen, um funktionierende Netzwerke aufzubauen.

Dazu ist Kern ein Fan des Wiener Traditionsclubs Austria Wien, eine Leidenschaft, die er mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl und dem burgenländischen LH Hans Niessl teilt. Auch das ist keine schlechte Vorbereitung auf eine Kanzlerschaft. Denn damit ist Kern, zumindest in den vergangenen Jahren, an Kummer gewöhnt. Die Wiener Kicker, die vor einigen Jahren noch die Bundesliga beherrschten, sind derzeit schon froh, wenn sie in der Meisterschaft den dritten Platz erreichen. Ein Platz, den die österreichische Sozialdemokratie bei den jüngsten Umfragen ebenfalls einnahm.

Als ÖBB-Chef war Kern, der ein passionierter Jäger ist, hingegen durchaus erfolgreich. Dies bescheinigen ihm auch seine Kritiker. Vor allem schaffte es der Kommunikationskünstler, die ÖBB von ihrem notorisch schlechten Image zu befreien. Baustellenchaos, unpünktliche Züge und Frühpensionierungen sind bei den ÖBB kein Thema mehr. Das tat auch der geschundenen Seele der Mitarbeiter gut, die vorher in der Öffentlichkeit keine gute Nachrede hatten. Und so deponierten in den vergangenen Tagen zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kerns Büro, dass der Chef bitte doch nicht in die Politik wechseln solle.

Dass unter Kern alles glattgelaufen ist, kann man trotzdem nicht sagen. Etwa als es darum ging, der Öffentlichkeit die falschen Achsen an den Railjet-Hochgeschwindigkeitszügen zu erklären, wurde zuerst versucht, die Probleme wegzudiskutieren. Fehler wurden erst später eingeräumt. Und auch dass der Bund nach wie vor Milliarden Euro für die Bahn zur Verfügung stellen muss, ist nicht anders geworden.

Bei seinem Aufstieg setzt Kern gern auf langjährige Weggefährten. Beobachter munkelten seit Langem, dass sich der ÖBB-Chef ein potenzielles "Kanzlerkabinett" in seinem Vorzimmer eingerichtet habe. Kerns rechte Hand, Stefan Pöttler, arbeitete mit ihm im SPÖ-Parlamentsklub. Pöttler war auch Sprecher von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Gusenbauer soll sich bei der Faymann-Nachfolge, so hört man aus der Partei, massiv für Kern eingesetzt haben. Bis vor einem Jahr werkte außerdem David Mock, einst Sprecher von Kanzler Viktor Klima, in der ÖBB-Kommunikationsabteilung. Ein Weiterer ist Sven Pusswald, der ebenfalls als Sprecher von Kanzler Alfred Gusenbauer tätig war.

Sich auf ein gutes und politisch versiertes Team zu stützen ist eine bekannte Stärke Christian Kerns, von einer Schwachstelle des neuen Kanzlers wissen hingegen viele Journalisten zu erzählen: Beim Einstecken von Kritik tut er sich nicht leicht. Wenn ihm etwas nicht passt, dann kann das gleich einmal lange E-Mails, aber auch Anrufe zur Folge haben.

Sein Privatleben versuchte Kern bisher vor der Öffentlichkeit so gut wie möglich abzuschirmen. Bekannt ist, dass er ein begeisterter Läufer ist und dass er in zweiter Ehe mit Eveline Steinberger-Kern verheiratet ist. Diese arbeitete wie ihr Mann einst beim Verbund, später bei Siemens und hat nun ein Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit. Mit ihr hat Kern, der bereits drei Söhne hat, eine Tochter im Volksschulalter.