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Die Angst der Mullahs vor den Sportlern

Immer mehr iranische Spitzenathleten solidarisieren sich mit den Frauen. Die Kletterin Elnaz Rekabi wurde in Teheran als Heldin empfangen.

Die iranische Kletterin Elnaz Rekabi wurde am Flughafen nicht nur von einer jubelnden Menge empfangen. Sie musste sich im staatlichen Fernsehen auch dafür entschuldigen.
Vor der iranischen Botschaft in Seoul unterstützten Demonstranten das mutige Auftreten der Kletterin Elnaz Rekabi ohne Kopftuch.
Vor der iranischen Botschaft in Seoul unterstützten Demonstranten das mutige Auftreten der Kletterin Elnaz Rekabi ohne Kopftuch.

"Elnaz ist eine Heldin", skandierten die Menschenmassen, die am Mittwoch um vier Uhr morgens zum Teheraner Flughafen gekommen waren, um Elnaz Rekabi bei ihrer Ankunft aus Seoul zu begrüßen. Die iranische Kletterin war bei den Asienmeisterschaften in Seoul ohne Kopftuch an den Start gegangen. Seit der Revolution vor 43 Jahren hatte dies keine Sportlerin bei einem internationalen Wettbewerb gewagt.

Vergeblich hatten die iranischen Behörden versucht, den spektakulären Protest der Kletterin als Versehen darzustellen. In einem vermutlich unter massivem Druck geführten Interview mit dem Staatsfernsehen hatte die 32 Jahre alte Athletin zugeben müssen, "das Kopftuch, das ich eigentlich hätte tragen müssen, vor dem Start vergessen zu haben". Sie entschuldigte sich für die "von mir ausgelöste Verwirrung und die Sorgen". Kaum jemand dürfte ihr das erzwungene Geständnis abnehmen: Mit Elnaz Rekabi hat die iranische Protestbewegung eine neue Lichtgestalt - auch wenn sich die couragierte Kletterin aus Angst vor Repressalien, die ihr und ihrer Familie angedroht wurden, vorerst nicht an den anhaltenden Protesten beteiligen dürfte.

Für die um Schadensbegrenzung bemühte Regierung in Teheran entwickelt sich die "Causa Rekab" zu einem GAU. Dazu kommt, dass in gut einem Monat die Fußball-WM in Katar beginnt, an der auch die extrem populäre iranische Nationalmannschaft teilnehmen wird.

Bereits vor drei Wochen hatte der bei Feyenoord Rotterdam spielende iranische Mannschaftskapitän auf Instagram klargestellt, dass "wir (Fußballer) immer auf der Seite des Volkes stehen, das in diesen Tagen nichts anderes als seine grundsätzlichen Rechte fordert". Bei einem in Österreich ausgetragenen Testspiel gegen Senegal hatten die Spieler beim Abspielen der Nationalhymne schwarze Trainingsjacken an, die das Logo des nationalen Verbands samt Nationalflagge verdeckten.

Zum Zeichen der Trauer für die bei der versuchten Niederschlagung der Proteste getöteten Demonstranten schwärzten mehrere Spieler ihre Instagram-Konten. "Ich schäme mich als Iraner, wenn ich die Bilder der vergangenen Tage sehe, schrieb Stürmerstar Mehdi Taremi vom FC Porto. Auch ehemalige Spieler der iranischen Nationalmannschaft, wie die einst bei Bayern München spielenden Ali Daei und Ali Karimi, haben sich mit der Protestbewegung solidarisiert.

Vor dem Beginn der WM und während des Turniers erwartet die iranische Öffentlichkeit von der Nationalmannschaft weitere Signale und Gesten der Solidarität, die vor einem Milliardenpublikum einen noch höheren Stellenwert hätten. In der Vergangenheit war die iranische Fußball-Nationalmanschaft für das Regime ein wichtiges Propagandainstrument. Dutzende von iranischen "Offiziellen" werden die Fußballer nach Katar begleiten. Sie sollen die Spieler überwachen und sicherstellen, dass sie keine Kontakte zu ausländischen Medien haben.

Nüchtern betrachtet kann sich das angeschlagene Regime eine weitere Gewalteskalation mit neuen Toten nicht leisten. Trotzdem mehren sich die Anzeichen, dass Gewalt auch weiterhin das bevorzugte Mittel zur Unterdrückung der Proteste ist. Dabei sollen inzwischen auch schiitische Milizionäre aus dem Libanon und Irak eingesetzt werden. Als Araber, so die perfide Logik, hätten sie weniger Skrupel auf Iraner zu schießen.

Die Karikaturzur Kletterin Rekabi ist eine Solidaritätsadresse des in Australien lebenden chinesischen Karikaturisten und Menschenrechtsaktivisten Badiucao auf Twitter.

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