Die "Times of Israel" schätzte die Zahl der Teilnehmeranzahl bei der erneuten Großdemonstration vor der Residenz Netanyahus auf Zehntausende. Es sei eine der bisher größten Protestkundgebungen in Jerusalem im Zusammenhang mit Forderungen nach einem Gaza-Abkommen.
Demonstranten fordern sofortige Verhandlungen
Die islamistische Terrororganisation Hamas erklärte am Samstagabend, sie sei offen "gegenüber jeglichen Ideen und Vorschlägen", die zu einem dauerhaften Waffenstillstand, einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, der Einfuhr von Hilfsgütern und dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führten. Zugleich bekräftigten die Islamisten ihre Zustimmung zu einem Vorschlag der Vermittler für eine Waffenruhe. Das Forum der Familien der in Gaza festgehaltenen Geiseln beklagte, drei Wochen seien vergangen, ohne dass Israel bisher auf die Antwort der Hamas an die Vermittler reagiert habe.
In einer Erklärung forderte das Forum die Regierung von Netanyahu am Samstagabend auf, den derzeit vorliegenden Vorschlag, auf den die Hamas bereits positiv reagiert habe, anzunehmen und unverzüglich Verhandlungen über ein umfassendes Abkommen zur Rückkehr aller Geiseln aufzunehmen. Der Vorschlag sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor, während der zunächst zehn lebende Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen.
Netanyahu beharrt auf Bedingungen für Kriegsende
Netanyahu beharrt jedoch inzwischen auf einem umfassenden Deal, bei dem alle Geiseln auf einen Schlag freigelassen werden. Von den 48 Geiseln, die sich in Gaza befinden, sind nach israelischen Informationen noch 20 am Leben. Ob die Hamas bereit wäre, alle verbliebenen Geiseln auf einmal freizulassen, geht auch aus der Erklärung der Islamisten vom Samstagabend nicht hervor.
Zudem pocht Netanyahu auf eine Kapitulation und Entwaffnung der Hamas - was diese ablehnt. Netanyahu will außerdem, dass Israel die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behält, während die Hamas erneut den vollständigen Abzug der israelischen Truppen forderte. Kritiker werfen Netanyahu vor, den Krieg unnötig in die Länge zu ziehen. Seine rechtsextremen Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, sind gegen eine Waffenruhe.
"Der persönliche Überlebensinstinkt des Ministerpräsidenten darf nicht über die Notwendigkeit gestellt werden, alle Geiseln zurückzuholen und unnötige Todesfälle als Teil eines endlosen Krieges zu verhindern, dessen Zweck darin besteht, die Koalition zu erhalten", hieß es in der Erklärung des Forums der Geiselfamilien. Angehörige der Geiseln befürchten, dass die geplante militärische Einnahme der Stadt Gaza das Leben der Verschleppten gefährdet.
Geiselfamilien fürchten das Schlimmste
Die Familien der aus Israel entführten Geiseln Guy Gilboa-Dalal und Alon Ohel glauben einem Bericht des Senders Channel 12 zufolge, dass die beiden vor der geplanten Einnahme der Stadt Gaza dorthin gebracht wurden. Die Hamas hatte am Freitag ein Video veröffentlicht, in dem die beiden zu sehen sind. Gilboa-Dalal sagt darin in einem Auto sitzend, er befinde sich in der Stadt Gaza. In der Gegend würden mehrere weitere Geiseln festgehalten. Diese sollten laut ihren Entführern während der geplanten israelischen Offensive dort bleiben, wie der junge Mann schildert.
Unter welchen Umständen das Video entstand und ob der Mann aus freien Stücken oder unter Drohungen sprach, war zunächst unklar. Die Aufnahme soll von Ende August stammen. Der israelische Sender Kan will unterdessen aus dem Umfeld von Regierungschef Netanyahu erfahren haben, dass Israel bereit sei, von der Einnahme der Stadt im Norden des Küstenstreifens zugunsten eines "echten Abkommens" abzusehen. Ein solches liege aber derzeit nicht vor.
Israels Armee weist "humanitäre Zone" aus
In den vergangenen Tagen verstärkte das israelische Militär seine Luftangriffe auf die dicht besiedelte Stadt. Nach Schätzungen sollen sich dort fast eine Million Menschen aufhalten. Vor der erwarteten Großoffensive in der Stadt wies Israels Armee ein Küstengebiet im südlichen Gazastreifen als sogenannte humanitäre Zone aus. Das Areal von Al-Mawasi nahe Khan Younis verfüge über wesentliche humanitäre Infrastruktur wie Feldkrankenhäuser, Wasserleitungen und Entsalzungsanlagen, teilte ein arabischsprachiger Armeesprecher auf X mit.
Er forderte die Bewohner der Stadt Gaza auf, sich möglichst bald in das Areal zu begeben. Bisher haben weniger als 100.000 Menschen die Stadt verlassen. Israel hatte Al-Mawasi bereits im Dezember 2023 zur "humanitären Zone" erklärt. Die dortigen Zeltlager gelten schon jetzt als hoffnungslos überfüllt.