Der Beschuss von UN-Blauhelmsoldaten im Südlibanon hat nicht nur Verletzte im Konfliktgebiet zur Folge, sondern sorgt auch auf diplomatischer Ebene für Einschläge. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu blieb am Montag auf Konfrontationskurs und bekräftigte seine Forderungen nach einem sofortigen Abzug der Friedenstruppen aus der Kampfzone, in der die israelische Armee gegen die radikalislamische Hisbollah-Miliz vorgeht. Wenn die UN-Soldaten das Gebiet nicht verließen, habe dies "zur Folge, dass den Hisbollah-Terroristen menschliche Schutzschilde zur Verfügung gestellt werden", sagte Netanjahu.
Der Streit zwischen Israel und den Vereinten Nationen spitzt sich zu, seit am Wochenende israelische Panzer das Tor zu einem Stützpunkt der Unifil-Friedensmission durchbrachen. Granaten schlugen zudem unweit des Lagers ein. Mindestens fünf verletzte Blauhelmsoldaten sind bisher bekannt. UN-Generalsekretär António Guterres lehnte einen Abzug der Truppen bisher kategorisch ab. Er verurteilte die Angriffe auf die Friedenstruppen, die ein Kriegsverbrechen darstellen könnten. Israel hatte Guterres bereits Anfang Oktober zur unerwünschten Person erklärt und ein Einreiseverbot verhängt, weil er laut Außenminister Israel Katz einen Raketenangriff des Irans nicht deutlich genug verurteilt hat.
Israel untermauerte die Forderung nach einem Abzug am Wochenende, indem das Militär Journalisten zu einem 200 Meter langen Tunnel führte, der von einem UN-Stützpunkt gegraben wurde. Der soll nach Darstellung Israels vor Jahren angelegt und von der Hisbollah genutzt worden sein. Auch von Waffenfunden war die Rede. Unterdessen setzte die Hisbollah ihre Anschläge in Nordisrael fort. Am Sonntag starben bei einem Angriff auf einen Ausbildungsstützpunkt südlich von Haifa vier Soldaten. Es gab mehr als 60 Verletzte.
Der Nahostkonflikt beschäftigt nicht nur die Vereinten Nationen in New York. Er steht auch beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel am Donnerstag und Freitag auf der Tagesordnung weit oben. Am Montag berieten die EU-Außenminister in Luxemburg über die Lage. Aus Sicht des Außenbeauftragten Josep Borrell, der Israels Vorgehen in der Region seit dem Einmarsch in den Gazastreifen heftig kritisiert, sei zu lange zum Vorgehen gegen die Unifil geschwiegen worden. Die Angriffe seien " völlig inakzeptabel".
In die Kritik aus vielen Ländern reihte sich Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ein. Er habe am Sonntag gegenüber Außenminister Katz "verdeutlicht, dass die Angriffe aufhören müssen". Gleichzeitig appellierte er an die Hisbollah, sich zurückzuziehen. "Vergessen wir nicht, wer unablässig Raketen auf Israel schießt. Die Hisbollah tritt jeden Tag internationales Recht mit Füßen", sagte Schallenberg. Bei dem Treffen verhängten die Minister auch neue Sanktionen gegen den Hisbollah-Verbündeten Iran wegen dessen Raketen- und Drohnenlieferungen an Russland. Davon betroffen sind Unternehmen, Einrichtungen und Personen, die an Produktion und Lieferung der Waffen beteiligt sind. Die Sanktionen richten sich auch gegen die staatliche Airline des Irans, der der Ticketverkauf in der EU verboten wird.
Unter den 10.000 UN-Soldaten, die in der Konfliktzone zwischen Israel und dessen nördlichem Nachbarland stationiert sind, befinden sich auch 160 Soldatinnen und Soldaten des Bundesheers. "Österreich erfüllt im Rahmen der Mission zentrale Aufgaben", sagt dessen Sprecher Michael Bauer. Die Soldaten betreiben demnach die Lagerinfrastruktur bzw. sind für deren Erhalt verantwortlich. Das umfasst den Betrieb der Feuerwehr. Und sie sind für die Transporte von Mensch und Material aus der libanesischen Hauptstadt Beirut ins und aus dem Lager verantwortlich. Die Transporte seien seit der Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich, sagt Bauer. Daher habe die Gefahr für die österreichischen Soldaten sogar eher abgenommen, da die jüngsten Angriffe Außenposten gegolten hätten, wo keine Österreicher tätig seien.
Als 2013 die Situation auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien eskalierte und das Leben österreichischer Soldaten in unmittelbare Gefahr geriet, entschied sich die damalige Bundesregierung für einen Rückzug - auch ein mögliches Szenario für den Südlibanon? Bauer verneint. "Es gibt keine Überlegungen, aus der Mission herauszugehen." Nicht nur, weil die Situation nicht mit der damaligen am Golan vergleichbar sei. "Das ist eine Entscheidung der UN. Es ist von allen truppenstellenden Nationen festgelegt worden, dass eine solche Entscheidung gemeinsam beschlossen werden muss."
