Donald Trump rätselt seit Tagen öffentlich über eine Debatte, die einfach nicht vorübergehen will. "Ich verstehe es nicht", behauptete der US-Präsident, darauf angesprochen, warum wohl ausgerechnet der Fall Jeffrey Epstein unter seinen Unterstützern so viel Aufmerksamkeit bekommt. "Er ist seit langer Zeit tot. Er war nie ein großer Faktor, wenn es ums Leben geht." Der auch im Englischen ungelenke Satz ("He was never a big factor in terms of life.") ist dabei nur ein winziges Beispiel dafür, wie Trump die Diskussion entgleitet. Doch der Grund für die anhaltende Debatte ist einfach: Seit Jahren haben Trump selbst und Dutzende seiner größten Unterstützer die Gerüchte um den 2019 in seiner Gefängniszelle verstorbenen Millionär befeuert.
In ihrer extremsten Version lautet die dazugehörige Verschwörung, dass Epstein in mehreren hundert Fällen Frauen zum Sex gezwungen hat, darunter viele Minderjährige. Er hat zudem Partys mit mächtigen Politikern und Prominenten aus Wirtschaft und Unterhaltung ausgerichtet und soll immer wieder Männern Frauen zum Sex vorbeigeschickt haben. Über die Jahre wurde so neben Trump unter anderem auch Bill und Hillary Clinton, Bill Gates und am Ende sogar Sängerin Beyoncé Knowles vorgeworfen, zur Party-Clique zu gehören.
Im Zentrum des Streits stehen Dokumente, deren Existenz oder genauer Inhalt nicht bestätigt ist, die sogenannten "Epstein Files". Die wichtigste Frage lautet, ob Epstein eine Liste mit seinen wichtigsten Geschäftspartnern geführt hat, auf der steht, wem er wann welche Frauen geschickt hat. Justizministerin und Generalstaatsanwältin Pam Bondi behauptete zu einer solchen Aufstellung im Interview mit Fox News im Februar noch: "Sie liegt zur Begutachtung bei mir auf dem Schreibtisch." Vor wenigen Tagen aber ruderte sie zurück und erklärte, dass sie den Satz als Umschreibung dafür gemeint hatte, allgemein an dem Fall zu arbeiten. Bondi hat aber auch deshalb eine besondere Rolle, weil sie am 7. Juli ein Memo veröffentlichte, das nun die rechte "Make America Great Again"-Basis (MAGA) von Donald Trump in Aufruhr versetzt. Darin hieß es, dass es keine Beweise für die Verschwörungstheorien gebe. Die Kundenliste existiere nicht und es gebe keine Hinweise auf Fremdeinwirkung oder Mord an Epstein in Haft. Dies war zwar die Bestätigung jahrelanger Ermittlungen von Beamten, die nicht zum rechten Verschwörungs- und Podcastspektrum zählen, doch genau diese Gruppe will das Thema so schnell nicht aufgeben. Sie stehen nun vor einem Dilemma: Entweder müssen sie zugeben, dass sie gelogen und den Fall grundlos aufgeblasen haben, um Aufmerksamkeit zu bekommen, oder sie müssen Donald Trump anzweifeln. Viele Demokraten und andere Beobachter im eher linken Spektrum sind überrascht, dass nun ausgerechnet das passiert.
Die MAGA-Anhänger fragen in ihren Shows und auf ihren Social-Media-Accounts, was Donald Trump ihnen verschweigt - gibt es Ermittlungsergebnisse, die ihn belasten, steht er auf der mutmaßlichen Epstein-Kundenliste und hatte er gar sexuellen Kontakt mit Minderjährigen? Unklar ist für viele zumindest, warum ihnen jahrelang eingeredet wurde, dass die Untersuchungen große Bedeutung hätten und nun plötzlich unwichtig seien.
Viele Figuren des rechten Spektrums lassen sich nicht so einfach abspeisen, obwohl es Trump in den vergangenen Tagen gelungen ist, mit seinen Beschwichtigungen einen Teil der Debatte einzudämmen. Sein Haussender Fox News berichtet nicht mehr über den Fall und die rechten Meinungsmacher Charlie Kirk, Benny Johnson und Dinesh D'Souza folgen der Beschwichtigung des Präsidenten. Fraktionschef und Repräsentantenhaus-Führer Mike Johnson und die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene gehen dagegen offen in den Streit mit Trump und verlangen eine Veröffentlichung aller Dokumente.
Fest steht, dass es Fotos von Trump mit Epstein gibt und sich der heutige Präsident sogar vor mehr als zwei Jahrzehnten zum Lob verstieg, dass dieser ein "fantastischer Typ" sei, der eben eine Vorliebe für jüngere Frauen habe.
Am Mittwoch hat Trump es mit einem Befreiungsschlag versucht und Maurene Comey feuern lassen, eine New Yorker Ermittlerin, die für die Staatsanwaltschaft am Epstein-Fall gearbeitet hat. Sie ist die Tochter von James Comey, dem einstigen FBI-Chef, der gegen Trump Ermittlungen darüber anstellte, ob er sich bei der Wahl 2016 von Russland hat helfen lassen. Die Gründe für die Entlassung von Maurene Comey waren zunächst unklar - es ist gut möglich, dass die ohnehin kritischen Trump-Anhänger den Schritt zudem als weiteren Vertuschungsversuch sehen.
