Bevor die nationalen Untersuchungen nicht abgeschlossen seien, sollte seiner Meinung nach auch nichts über mögliche Täter gesagt werden, sagte Stoltenberg. Er verwies zudem darauf, dass die NATO nach den Angriffen gegen Nord Stream 1 und 2 die Anstrengungen zur Gefahrenabwehr verstärkt habe. Der Vorfall habe gezeigt, wie wichtig es sei, die kritische Infrastruktur unter Wasser zu schützen, erklärte der Norweger. Es gebe Tausende Kilometer Gas- und Ölpipelines, Stromkabel und Internetkabel, die wichtig für die Gesellschaften seien.
ARD, SWR und "Zeit" hatten zuvor berichtet, dass Spuren bei den Ermittlungen zu der Nord-Stream-Sabotage in Richtung Ukraine führten. Unter Berufung auf geheimdienstliche Hinweise hieß es, eine pro-ukrainische Gruppe könnte verantwortlich sein. Den Medienberichten zufolge fanden die Ermittler bisher zwar keine Beweise dafür, wer die Zerstörung in Auftrag gab. Sie machten demnach aber ein Boot aus, das für das Unterfangen in der Ostsee verwendet worden sein könnte. Die fragliche Jacht sei von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden, welche "offenbar zwei Ukrainern gehört", hieß es.
Russland reagierte ablehnend. Solche Informationen würden von denjenigen gestreut, "die im Rechtsrahmen keine Untersuchungen führen wollen und versuchen, mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit des Publikums abzulenken", schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, Dienstagabend auf ihrem Telegram-Kanal. "Es ist einfach ein Mittel, um den Verdacht von denjenigen in offiziellen Regierungspositionen, die die Angriffe in der Ostsee angeordnet und koordiniert haben, auf irgendwelche abstrakten Personen zu lenken", erklärte auch die russische Botschaft in den Vereinigten Staaten auf der Nachrichtenplattform Telegram. "Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben", hieß es weiter. Moskau macht die Geheimdienste der USA und Großbritannien für den Anschlag verantwortlich.
Russland verlangt von den Staaten der an den Nord-Stream-Pipelines beteiligten Unternehmen, auf schnelle und transparente Untersuchungen der Explosionen zu dringen. Russland dürfe sich weiterhin nicht an den Ermittlungen beteiligen, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Erst vor einigen Tagen habe Russland entsprechende Mitteilungen Dänemarks und Schwedens erhalten. "Das ist nicht nur seltsam. Das riecht nach einem gigantischen Verbrechen." Eigner der in der Schweiz ansässigen Betreibergesellschaft von Nord Stream 1, der Nord Stream AG, sind neben dem russischen Staatskonzern Gazprom unter anderem Wintershall DEA und E.ON aus Deutschland.
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow verneinte eine Beteiligung seines Ministeriums an der Sabotage der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2. Dass ukrainischen Spezialkräften so ein Einsatz zugetraut wird, sei "eine Art Kompliment", sagte Resnikow am Mittwoch am Rande eines informellen Treffens mit den Verteidigungsministern der EU-Staaten in Schweden. "Aber das ist nicht unser Tätigkeitsfeld." Die Story sei schräg, weil sie nichts "mit uns" zu tun habe. Auf die Frage, ob er befürchte, dass die Berichte über eine mögliche Beteiligung der Ukraine an der Sabotage einen negativen Einfluss auf die Unterstützung für sein Land im Krieg gegen Russland haben könnte, sagte Resnikow: "Nein, ich bin nicht besorgt."
Zurückhaltend äußerten sich deutsche Regierungsvertreter. Außenministerin Annalena Baerbock warnte davor, "voreilig aus Berichten heraus Schlüsse für uns (zu) ziehen". Zunächst müssten die zuständigen Behörden ihre Ermittlungen zuende führen, sagte Baerbock am Mittwoch in Erbil. Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte ebenfalls, dass abzuwarten sei, was von den Berichten sich wirklich bestätige. Schließlich könne es sich genauso gut um eine "False-Flag-Aktion" handeln, um pro-ukrainischen Gruppierungen etwas in die Schuhe zu schieben, sagte er dem Deutschlandfunk. "Die Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch."
Bei ihren Ermittlungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 hat die deutsche Bundesanwaltschaft im Jänner ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Pipelines explodiert waren, teilte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit. Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. "Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen", hieß es weiter. "Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden."