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Paris versinkt in Bergen von Müll

Seit zehn Tagen streikt die städtische Müllabfuhr in der französischen Hauptstadt Paris, um gegen die Rentenreform zu protestieren. Die Lage spitzt sich zu.

Die Müllberge in den Pariser Straßen werden immer größer.
Die Müllberge in den Pariser Straßen werden immer größer.

Es ist drei Uhr morgens, als ein großer Müllwagen durch die Rue de Buci im schicken sechsten Arrondissement (Bezirk) von Paris fährt. Ein Kamerateam des französischen Info-Senders BFMTV filmt ihn auf seinem Weg, so als handle es sich um eine Sensation. Tatsächlich ist die Entsorgung von Abfall in der französischen Hauptstadt zur Rarität geworden. Der Wagen kommt nur im Schneckentempo voran, damit die Mitarbeiter nach und nach all die Müllsäcke, die sich an den Straßenrändern türmen, in den Wagen werfen können. Sie arbeiten für ein privates Dienstleistungsunternehmen, denn ihre Kollegen der städtischen Müllentsorgung befinden sich seit dem 6. März im Streik, um gegen die geplante Rentenreform der Regierung zu protestieren. Am heutigen Donnerstag soll sie beschlossen werden. Rund 70 Prozent der Menschen in Frankreich sprechen sich dagegen aus.

Auch die Mitarbeiter der Bahn oder von Raffinerien haben die Arbeit niedergelegt, doch die Folgen des Ausstandes bei der Pariser Müllabfuhr zeigen sich auf besonders beeindruckende Weise: In den meisten der 20 Pariser Arrondissements häufen sich die Berge an Abfall auf den Gehwegen teils meterhoch. Nur an besonders belebten Verkehrsknotenpunkten, nach Wochenmärkten oder in manchen Straßen wie in jener Nacht in der Rue de Buci werden die Abfälle abgeholt. Touristen, die zu Besuch in der vermeintlich "schönsten Stadt der Welt" unterwegs sind, rümpfen die Nase über den Gestank. Gesundheitsexperten warnen vor der Ausbreitung von Krankheiten durch die Müllberge. Doch die Stadt ermutigt die Angestellten der Müllabfuhr sogar, ihren Streik fortzusetzen. Sie hätten ihre "vollständige Unterstützung", bekräftigte die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

Längst wächst sich die Frage zum politischen Machtkampf aus. Innenminister Gérald Darmanin wies die Polizei-Präfektur an, das Rathaus dazu aufzufordern, entweder private Müllfirmen anzustellen oder Personal zwangsweise zu verpflichten. Ansonsten könne die Präfektur selbst entsprechende Vorkehrungen treffen. Aus Hidalgos Umfeld verlautete, sie halte nichts von Zwangsverpflichtungen, sondern rate dazu, "den Dialog der Anwendung von Gewalt vorzuziehen".

"Niemand leugnet die Unannehmlichkeiten für die Pariserinnen und Pariser", sagte der Gewerkschaftsführer Laurent Berger. Und der Müllmann Greg betont in der Zeitung "Le Parisien": "Wir machen das nicht zum Spaß. Die Pariser entdecken nun, dass es Ratten in ihrer Stadt gibt. Aber wir fangen um sechs Uhr morgens an und die Ratten gehören zu unserem Alltag."

Noch zeigt sich auch das Tourismusamt der Stadt nicht alarmiert. Dort erklärte man, bisher seien die Auswirkungen minimal. Die Müllabfuhr-Mitarbeiter wollen ihren Streik auf jeden Fall bis 20. März fortsetzen.