Was zu lange währt, wird oft nicht gut. Über sieben Monate nach Kosovos Parlamentswahl vom 9. Februar hat der neue Parlamentsvorsitzende Dimal Basha (VV) die Volksvertretung des angeschlagenen Staatenneulings im 60. Anlauf am Wochenende kurzerhand für konstituiert erklärt - auch ohne die eigentlich nötige Wahl eines Stellvertreters aus den Reihen der serbischen Minderheit.
Da es "keine andere Möglichkeit" gebe, wie es weitergehen solle, sei er der Meinung, dass die vor über vier Monaten begonnene konstituierende Sitzung des Parlaments nun als "abgeschlossen" gelten könne, sagte der Parteigänger des geschäftsführenden Noch-Premiers Albin Kurti.
Verfassungsrechtler sowie Politiker der Opposition und der serbischen Minderheit sehen das anders. Das Parlament sei ohne die komplette Wahl seines Vorsitzes weder laut der Verfassung noch laut seiner eigenen Geschäftsordnung konstituiert, erklärt Memli Krasniqi, der Chef der größten Oppositionspartei PDK, der von einer "Fortsetzung der Spielchen" des sich an die Macht klammernden Noch-Premiers Albin Kurti spricht. Ohne eigene Parlamentsmehrheit sei Kurti daran gelegen, die tiefe politische Krise des Landes "zu vertiefen" und die Schaffung der Institutionen zu verzögern: "Er will das Amt des Regierungschefs weiter widerrechtlich usurpieren - so wie er es schon seit geraumer Zeit tut."
Tatsächlich gilt der ebenso beratungsresistente wie kooperationsunwillige Solist Kurti als einer der Hauptverantwortlichen für Kosovos sich ausweitende Verfassungskrise. Bei dem Urnengang im Februar konnte sich seine linksnationalistische VV zwar als stärkste Partei behaupten, ihr Wahlbündnis verlor aber mit nur noch 48 von 120 Sitzen die absolute Mehrheit im Parlament. Statt sich zur Bildung einer neuen Regierung in den Reihen der Oppositionsparteien ernsthaft um neue Koalitionspartner zu bemühen, versuchte Kurti, diesen seinen Willen aufs Auge zu drücken.
Über 50 Mal, aber erfolglos, ließ er ohne Absprache mit der Opposition monatelang seine bisherige Justizministerin Albulena Haxhiu immer wieder aufs Neue als VV-Kandidatin für das Amt der Parlamentsvorsitzenden nominieren. Erst als das Verfassungsgericht Mitte August entschied, dass ein neuer Kandidat zu nominieren sei, tauschte er Haxhiu aus. Drei weitere VV-Kandidaten sollten scheitern, bis vergangene Woche mit dem von der PDK zum Ärger der anderen Oppositionsparteien durchgewunkenen Dimal Basha (VV) endlich der scheinbare Durchbruch in der Dauerhängepartie gelang.
Doch statt wie bisher die obligatorische Wahl von zwei stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden aus den Reihen der nationalen Minderheiten im Paket durchzuwinken, ließ Basha über diese einzeln abstimmen - offensichtlich auch, um die Wahl des Kandidaten der mit der Regierung in Belgrad eng verbandelten Serbischen Liste (SL) zu verhindern.
Wie erwartet fiel der SL-Kandidat wegen der fehlenden Unterstützung aus den Reihen der albanischen Parteien drei Mal durch. Nun haben am Wochenende nicht nur die SL, sondern auch die albanischen Oppositionsparteien Verfassungsklagen angekündigt.
Die EU und Kosovos Schutzmächte scheinen indes die Geduld mit Albin Kurti zunehmend zu verlieren. Die EU-Vertretung hat vergangene Woche wissen lassen, bis zur Bildung einer neuen Regierung "mit vollem Mandat" vorläufig alle Arbeitstreffen mit dem geschäftsführenden Premier in dessen Amtssitz zu "suspendieren".
Egal ob Kurti, der sich mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament offenbar noch immer nicht abfindet, wie von vielen vermutet Neuwahlen forcieren oder künftige Partner mit der endlosen Hängepartie weichkochen will: Fraglich ist, wie der Solist ohne Verständigung mit der Opposition eine neue Parlamentsmehrheit für eine Regierungsbildung oder gar eine Zweidrittelmehrheit für die Anfang 2026 anstehende Wahl eines Staatsoberhaupts durch die Volksvertretung finden will.
