In ihrem verzweifelten Kampf zur Durchsetzung der landesweiten Verhüllungspflicht kommen die "Tugendwächter" des Iran auf immer perfidere Ideen: So müssen iranische Frauen neuerdings damit rechnen, dass ihr Wagen beschlagnahmt wird, wenn die Fahrerinnen ohne oder mit schlecht sitzendem Kopftuch unterwegs sind. Um die "Abweichlerinnen vom Pfad der Tugend" zu identifizieren, setzt das Regime nach einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüro "OCHR" inzwischen auch Drohnentechnologie und Gesichtserkennungssoftware. Damit ausgerüstete Kameras wurden an Straßenkreuzungen, in Metrostationen sowie den Eingängen zur Teheraner Amirkabir-Universität für Technologie und anderen Lehrinstituten installiert.
Beim Aufspüren von "Abweichlerinnen", denen die "Begünstigung von sozialen Anomalien" vorgeworfen wird, fördert das Regime auch die Denunziation: Regimetreue Bürgerinnen und Bürger können eine Handy-App der Teheraner Polizei herunterladen, die es ihnen ermöglicht, unverschleierte Frauen in Fahrzeugen, Bussen, U-Bahnen und Taxis zu melden. Laut dem OHCR-Bericht müssen die Nutzer der "Tugend-App" den Ort, das Datum, die Uhrzeit sowie das Kennzeichen des Fahrzeuges angeben, in dem der mutmaßliche Verstoß gegen die Verhüllungspflicht stattgefunden hat. "In Echtzeit" würden daraufhin Warnungen an die registrierten Eigentümerinnen des Fahrzeuges geschickt. Diese werden darin vor einer Beschlagnahmung ihres Autos gewarnt, falls sie die einmalige Warnung ignorieren, also noch ein zweites Mal ohne Kopftuch erwischt werden sollten. Unabhängige Ermittler haben herausgefunden, dass 2024 mehr als 8000 Fahrzeuge beschlagnahmt wurden, weil die Fahrerinnen gar nicht oder nur unzureichend verhüllt waren.
"Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der "Frau-Leben-Freiheit"-Proteste im September 2022 sind Frauen und Mädchen im Iran noch immer einer systematischen Diskriminierung sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Praxis ausgesetzt, die alle Aspekte ihres Lebens durchdringt, insbesondere im Hinblick auf die Hidschab-Pflicht", hebt der OHCR-Bericht hervor.
Trotz immer absurderer Maßnahmen durch Durchsetzung der Verhüllungspflicht ist die Zahl der Frauen im Iran, die das Kopftuch gar nicht oder nur lose am Hinterkopf drapiert tragen, in den vergangenen Jahren ständig größer geworden. Mit kaum verhohlener Wut müssten die islamischen Hardliner eigentlich zur Kenntnis nehmen, dass das Tragen des Kopftuchs, dem wichtigsten politischen Symbol der Islamischen Revolution von 1979, in absehbarer Zeit wohl nicht mehr durchsetzbar ist.
Eine Kapitulation vor der Realität kommt für sie aber nicht in Frage. Erst Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte das Teheraner Parlament ein neues "Gesetz zum Schutz der Familie durch die Förderung der Kultur der Keuschheit und des Hidschab" verabschiedet. Die 74 Artikel umfassende Verordnung sieht für "Nacktheit, Unanständigkeit, Entschleierung und schlechte Kleidung" Auspeitschungen, Exorbitante Geldstrafen, Reiseverbote sowie Bildungsbeschränkungen für Frauen und Mädchen vor.
Sollte das Verhalten der Frauen auf "Korruption auf Erden" hinauslaufen, heißt es in einem Artikel, könne auch die Todesstrafe angewendet werden. Eine Umsetzung des Gesetzes hatte der für iranische Verhältnisse als relativ moderat geltende Staatspräsident Massud Peseschkian am 15.Dezember mit seinem Veto gestoppt - und den Nationalen Sicherheitsrat eingeschaltet. Das Gremium muss das Gesetz erneut überprüfen lassen.
Moderate Parlamentsabgeordnete, wie Javad Nikbin, halten eine Umsetzung für "nicht zweckmäßig". Die Menschen im Iran, betonte er, dürften zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht (noch mehr) verärgert werden. Hardliner wollen dagegen die in der Gesetzesvorlage verankerten drakonischen Strafen unbedingt anwenden. Im Machtkampf mit den gemäßigten Fraktionen um Präsident Peseschkhian haben sie die Oberhand gewonnen, was Beobachter in Teheran auch dem harten Iran-Kurs von US-Präsident Donald Trump zuschreiben.