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Preise und Mieten steigen: Was kann ein Wohnbaukommissar bewirken?

Die Kompetenzen für den sozialen Wohnbau liegen bei den Mitgliedsstaaten. Dennoch will auch die EU-Kommission dieses Feld beackern. Lockerungen im Wettbewerbsrecht könnten helfen.

Die EU-Kommission hat den Wohnbau für sich entdeckt.
Die EU-Kommission hat den Wohnbau für sich entdeckt.
Die EU-Kommission hat den Wohnbau für sich entdeckt.
Die EU-Kommission hat den Wohnbau für sich entdeckt.

"Die Preise und Mieten steigen in die Höhe. Die Menschen haben Mühe, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Aus diesem Grund werde ich zum ersten Mal einen Kommissar oder eine Kommissarin ernennen mit direkter Verantwortung für das Wohnungswesen." Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede für eine zweite Amtszeit vor dem EU-Parlament in Straßburg aufhorchen lassen. Der neue Posten solle einen "Plan für erschwinglichen Wohnraum" vorlegen.

Schieder: "Wohnen als eines der dringlichsten Probleme"

Von der Leyen hat nicht plötzlich ihre soziale Ader entdeckt. Die Ankündigung zielte klar darauf ab, sich die Stimmen der europäischen Sozialdemokraten zu sichern. "Das wird bei uns als eines der dringlichsten Probleme in Europa angesehen. Explodierende Wohnkosten und mangelnden Wohnraum gibt es überall", sagt Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament. Wenngleich es unter den 27 Mitgliedsstaaten erhebliche Unterschiede gibt. Ein Indikator dafür, dass es zu wenig leistbaren Wohnraum am Markt gibt, ist eine verbreitete finanzielle Überbelastung durch die Wohnkosten. Die ist per Definition dann erreicht, wenn mindestens 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens fürs Wohnen aufgewendet werden müssen. Das traf laut Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat 2023 auf 28,5 der Haushalte in Griechenland zu. In Luxemburg lag die Quote bei 22,7 Prozent. Österreich lag mit sechs Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 8,9 Prozent. Am besten schnitt Zypern mit 2,6 Prozent ab.

Dem Markt soll Liquiditätsspritze gegeben werden

Grundsätzlich ist der Wohnbau Kompetenz der EU-Staaten - wo kann ein neuer Kommissionsposten ansetzen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen? Einen Eindruck vermitteln die politischen Leitlinien, die schon festgeschrieben wurden, bevor die Kommission von der Leyen II personell Gestalt annimmt: "Als sofortigen ersten Schritt werden wir vorschlagen, dem Markt eine Liquiditätsspritze zu geben, indem es den Mitgliedsstaaten ermöglicht wird, die geplanten kohäsionspolitischen Investitionen (sollen wirtschaftliche Unterschiede zwischen Regionen ausgleichen, Anm.) in erschwinglichen Wohnraum zu verdoppeln", heißt es darin. Im persönlichen Umfeld von der Leyens wurde nach ihrer Rede von einem zweistelligen Milliardenbetrag gesprochen. Zudem sollen Fördervorschriften überarbeitet werden.

Österreich war bei der Wohnbauförderung früh dran

Hier sieht auch Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen in Wien, einen Ansatzpunkt für die Kommission. "Sie hat Kompetenzen, die das Wohnen direkt betrifft, zum Beispiel das Wettbewerbsrecht." Das bringe grundsätzlich ein Beihilfenverbot mit sich, wo es im sozialen Wohnbau nur für die Förderung der ärmsten Haushalte eine Ausnahme gebe. Dass in Österreich auch die Mittelschicht von Beihilfen profitiere, liege daran, dass man hierzulande die bestehende Wohnbauförderung im Wesentlichen schon vor dem EU-Beitritt 1995 angewendet habe. Länder wie Tschechien und Polen seien bei der Einführung ähnlicher Systeme bisher bei der Kommission abgeblitzt. "Aus meiner Sicht müsste das dringend geändert werden." Amann verweist auch auf die Dekarbonisierung des Gebäudesektors im Rahmen der Klimapolitik als Hebel, leistbaren Wohnraum mithilfe von EU-Mitteln entstehen zu lassen.

Experte sieht Posten des Wohnbaukommissars als "Nebelkerze"

Andreas Maurer, Politikwissenschafter an der Universität Innsbruck mit Schwerpunkt auf EU-Integration, hält den Posten des Wohnbaukommissars hingegen eher für eine "Nebelkerze". Schon jetzt gebe es Kommissare für Regional-, Sozial- und Beschäftigungspolitik, von denen wohl vorhandene Geschäftsbereiche abgezogen würden. "Ich halte es für einen Fehler, dass sich die Sozialdemokraten auf so etwas einlassen. Das ist dann ein Minigeschäftsbereich ohne Durchsetzungsmacht. Die werden das jetzt abfeiern und in fünf Jahren feststellen, dass sie ein Portfolio ergattert haben, hinter dessen Etikett keine echten Ressourcen stehen."