"Der Aufwand, der für so etwas betrieben werden muss, ist ein Wahnsinn eigentlich." Mike Santner blickt am Freitagvormittag gebannt auf den riesigen Kran, der unweit des Flussufers in die Wiese gestellt wurde, um die vor genau vier Wochen abgestürzte Garnitur der Murtalbahn aus dem Wasser zu heben. "Das ist ja nicht alltäglich", sagt Santner, der in der Ramingsteiner Ortschaft Kendlbruck wohnt. "Wenn so etwas ist, musst halt ein paar Stunden opfern." So sieht es auch Martina Decker. "Wir sind wegen der Kinder da. Die wollten das schon sehen, weil es spannend ist." Als der Kran den Zug gegen elf Uhr langsam aus der Mur bewegt, zücken viele der Dutzenden Schaulustigen ihr Smartphone. Die Verantwortlichen haben mit dem Andrang gerechnet - sogar eine mobile Toilette wurde auf der Wiese aufgestellt.
Das Interesse kommt nicht von ungefähr. Die Ausmaße des sogenannten 600-Tonnen-Krans sind außergewöhnlich. "Das ist einer der größten Mobilkrane, die man in Österreich hat", sagt Gerhard Harer, Geschäftsführer der Steiermarkbahn, die die Verbindung zwischen Unzmarkt (Bezirk Murtal) und Tamsweg betreibt. "Der wird im Regelfall für die Montage von Windrädern verwendet." Auch beim Einheben der beiden neuen, je 430 Tonnen schweren Bahnbrücken am Pass Lueg kam ein solcher Kran zum Einsatz.
Die Aktion am Freitag war eine vergleichsweise "leichte" Übung - der Triebwagen wiegt 32 Tonnen. Er soll in absehbarer Zeit wieder auf der Strecke fahren. "Rahmen und Gehäuse scheinen unbeschädigt zu sein", sagte Harer. Die Bergung verlief reibungslos. Der Zug sollte noch am Freitag auf einen Tieflader gehoben und in die Werkstätte nach Murau gebracht werden. Techniker werden den Wagen reparieren.
Harer beziffert die Kosten für die Bergung mit "jenseits der 200.000 Euro". Für den Stellplatz des Krans musste eine Wiese umgegraben und 2100 Tonnen Erde bewegt werden. "Ich denke, dass heuer noch Gras darüber wächst - im wahrsten Sinne des Wortes."
Darüber, dass der Fortbestand der Murtalbahn zur Diskussion gestellt wurde, dürfte hingegen noch länger kein Gras wachsen. Geschäftsführer Harer verweist auf den aufrechten Verkehrsdienstevertrag. "Wir sehen, dass die Bahn gut angenommen wird." Laut Zählungen seien zwischen 800 und 1000 Menschen pro Tag mit dem Zug unterwegs. Aber der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hatte kürzlich aus Kostengründen laut über eine Umstellung auf Busbetrieb nachgedacht.
Und auch der Verkehrslandesrat des Nachbarbundeslands, Anton Lang (SPÖ), gab diese Woche in einem Interview mit der Austria Presse Agentur alles andere als eine Bestandsgarantie ab. Der Schienenstrang liege teils abgelegen im Gelände, die Orte hätten sich teils von der Bahn wegentwickelt. Rund 100 Millionen Euro würde allein eine Elektrifizierung kosten, dazu kämen noch rund 120 Millionen für neues rollendes Material und einen dichteren Takt. Eine Arbeitsgruppe sei in Abstimmung mit Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) tätig. Dabei solle geklärt werden, was möglich sei und wo sich der Bund beteiligen könne. Natürlich sei man auch in Kontakt mit Salzburgs Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP), sagte Lang der APA.
Hermann Stöllner, Verkehrssprecher der FPÖ im Salzburger Landtag, besteht auf eine Bestandsgarantie. SPÖ-Verkehrssprecherin Sabine Klausner fordert "länderübergreifende Abstimmungsgespräche", um im Ministerium Mittel für den Erhalt der Bahn zu erwirken. "Wir haben dort schon deponiert, sollte es diese Arbeitsgruppe geben, die die Steiermark vom Bund fordert, dass Salzburg jedenfalls vertreten sein wird", sagt Schnöll-Sprecher Christoph Bayrhammer. "Aus unserer Sicht ist es ganz klar, dass wir uns für den Erhalt der Murtalbahn einsetzen." Schon jetzt habe das Land um rund 250.000 Euro im Jahr Fahrtleistungen bei der Steiermarkbahn bestellt. Noch einmal rund 200.000 Euro flössen in die Infrastruktur auf dem Abschnitt.
"Wir müssen uns überlegen, mit welchen Konzepten man die Bahn zukunftsfit macht." Es gebe Analysen, dass es auf der Strecke durch das Murtal noch Potenzial für mehr Fahrgäste gebe. Ähnlich sei es im Pinzgau gewesen, wo noch weiter investiert werden solle - dort habe man vor der Coronakrise noch mehr als eine Million Fahrgäste transportiert, weil man das Angebot kontinuierlich verbessert habe.