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Der stille Tod der Schmetterlinge - Forscher schlagen in Salzburg Alarm

Auf den Bergen finden Schmetterlinge noch einigermaßen intakte Lebensräume. In den Tallagen sieht das anders aus. Wissenschafter haben die Lage am Beispiel des Bundeslandes Salzburg analysiert. Die Ergebnisse sind besorgniserregend.

Der Randring-Perlmuttfalter (Boloria eunomia) ist in den tieferen Lagen im Land Salzburg fast vollständig ausgestorben.
Der Randring-Perlmuttfalter (Boloria eunomia) ist in den tieferen Lagen im Land Salzburg fast vollständig ausgestorben.

Eine aktuell im Fachjournal "Biological Conservation" veröffentlichte Studie zur Gefährdung von Tagfaltern in der Alpenregion belegt eindrucksvoll: Der Verlust der biologischen Vielfalt schreitet besonders in den tief gelegenen, intensiv genutzten Landschaften dramatisch voran.

Die beteiligten Wissenschafter von der Universität Salzburg, vom Haus der Natur Salzburg und von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung plädieren für die Einrichtung von Schutzgebieten in Tallagen - auch wenn dies wirtschaftlichen Interessen auf den ersten Blick zu widersprechen scheint.

Randring-Perlmutterfalter (Boloria eunomia), Lilagold-Feuerfalter (Lycaena hippothoe) oder Alexis-Bläuling (Glaucopsyche alexis) - diese Schmetterlinge gehören zur Gruppe der bedrohten Arten im Bundesland Salzburg. "Schmetterlinge sind sehr gute und zuverlässige Indikatoren für Veränderungen in Ökosystemen", erläutert Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg und der Universität Potsdam.

Salzburg schließt Forschungslücke

Er ergänzt: "Dennoch ist der Rückgang der Schmetterlingsvielfalt in weiten Teilen Mitteleuropas bislang nur unzureichend dokumentiert. Diese Lücke konnten wir nun im Bundesland Salzburg schließen."

Hierfür hat der Münchberger Entomologe gemeinsam mit Werner Ulrich von der Nikolaus-Kopernikus-Universität Torun, Jan Christian Habel (Universität Salzburg) und Patrick Gros (Haus der Natur) einen einzigartigen, langjährigen Datensatz von über 250.000 Einzelbeobachtungen aus dem Bundesland Salzburg analysiert. Dieser deckt den Zeitraum von 1900 bis 2022 ab. Die Erhebungen wurden über ein breites Höhenprofil von 380 bis 3105 Metern durchgeführt.

"Die Daten zeigen deutlich: Die größte Bedrohung trifft Schmetterlingsarten der Tieflagen, insbesondere jene, die auf nährstoffarme Wiesenökosysteme oder intakte Moor- und Feuchtgebiete angewiesen sind", erklärt Habel und ergänzt: "Die Mehrzahl der inzwischen sehr selten gewordenen Arten ist fast ausschließlich auf tiefere Lagen beschränkt, während viele alpine Arten noch deutlich weniger gefährdet sind."

Die 147 untersuchten Schmetterlingsarten verteilen sich je nach Gefährdungsstatus unterschiedlich entlang des Höhengradienten: Gefährdete Arten kamen überwiegend unterhalb von 800 Metern vor. Stärker verbreitete Arten wurden dagegen häufiger oberhalb von 1500 Metern gefunden, im Schnitt lagen sie über 600 Metern.

Patrick Gros (Haus der Natur): „In den Tälern geraten die letzten Rückzugsräume der Tagfalter immer stärker aus dem Gleichgewicht.“
Patrick Gros (Haus der Natur): „In den Tälern geraten die letzten Rückzugsräume der Tagfalter immer stärker aus dem Gleichgewicht.“

Druck durch Landwirtschaft

Die Forschenden erklären diese Diskrepanz zwischen Flachland und Gebirge durch den zunehmenden Druck durch Landwirtschaft und Landnutzung in den Tallagen. Besorgniserregend sei es zudem, dass sich die Salzburger Schutzgebiete flächenmäßig zu mehr als 90 Prozent über einer Höhe von etwa 1000 Metern befinden.

Gros mahnt: "In den Tälern hingegen geraten die letzten Rückzugsräume der Tagfalter immer stärker aus dem Gleichgewicht, in erster Linie wegen der dort großflächig, intensiv und undifferenziert betriebenen Landwirtschaft. Auch wenn der gesetzliche Schutz von Mooren einigen auf diese Lebensräume spezialisierten Schmetterlingen im Tiefland helfen konnte, so steht es um die Arten der warm-trockenen Standorte insgesamt sehr schlecht."

Forscher nehmen Politik in die Pflicht

Schmitt ergänzt: "Es ist Aufgabe der Politik, diesem Trend entgegenzuwirken. Ein wirksamer Schutz der Artenvielfalt in den Tieflagen - etwa im Flachgau - durch neue Naturschutzstrategien und eine biodiversitätsfreundlichere Landwirtschaft ist längst überfällig."

Die drei Wissenschafter sind sich einig: Der Schutz der Natur darf nicht länger nur dort stattfinden, wo keine wirtschaftlichen Interessen berührt werden. Denn intakte Ökosysteme sind nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen - sie sind auch Grundlage für unsere eigene Lebensqualität und langfristige wirtschaftliche Stabilität. "Ein Umdenken ist notwendig", lautet die Botschaft der Studienautoren: "Naturschutz darf nicht als Hindernis, sondern muss als Chance verstanden werden - für eine lebenswerte Zukunft für uns alle."