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"Eine Maske ist ein IQ-Test, kein politisches Statement!"

Biochemikerin, Autorin und "Kräuterhexe" Renée Schroeder findet klare Worte zum Umgang mit dem Coronavirus. Auch über die Grenzen der persönlichen Freiheit und den Wert von Wissenschaft und Bildung.

Die pensionierte Biochemikerin Renée Schroeder ist mittlerweile Kräuterbäuerin am Leierhof in Abtenau.
Die pensionierte Biochemikerin Renée Schroeder ist mittlerweile Kräuterbäuerin am Leierhof in Abtenau.

Ein Berufsleben lang war Renée Schroeder eine international anerkannte Biochemikerin, durch den Kauf des Abtenauer Leierhofs hat sie nun Heilkräuter als ihre neue Passion entdeckt.

Redaktion: Wie wird eine renommierte Wiener Biochemikerin zur "Kräuterhexe" auf einem Bergbauernhof in Abtenau?
Renée Schroeder: Zufall. Man kann so ein Projekt nicht planen, weil da die Fantasie nicht ausreicht. Meine Mutter ist ins Heim gegangen, hat ihre Wohnung verkauft und hat den Kindern das Geld gegeben. Damit wollten wir eine Hütte am Berg kaufen oder am See, wo dann die Enkel a bissl am Land aufwachsen können.

Und daraus wurde ein Bergbauernhof mit Kräuterlabor?
Wir haben das hier gesehen, und haben gesagt, "Na das ist so toll und schön, irgendwas wird uns schon einfallen", nicht wissend, worauf wir uns einlassen. Mein Sohn Fabian und ich mussten die Landwirtschaftsschule absolvieren, weil einen Bauernhof dürfen ja nur Landwirte besitzen. Wir mussten den alten Hof abreißen, einen Standort für den neuen finden, Strom herleiten, Brunnen bauen fürs Wasser, Straße bauen, und dann war auch die Frage, was machen wir landwirtschaftlich?

Warum dann das Kräuterthema?
Ich wollte keine Kühe oder Schafe. Und dann gab's auch so Aha-Momente. Als der Vater vom Nachbarbauer fragte, ob er hier noch weiter pflücken darf, hab ich natürlich ja gesagt, wollte aber wissen, was er damit macht. Dann habe ich geschaut, was da noch so alles wächst, und dann war für mich sofort klar, das wird eine Landschaft der anderen Art, mit Kräutern. Und jetzt funktioniert es. Ich habe ein Kräuternetzwerk gegründet, mit über 30 Teilnehmern, und es gibt ein Leader-Projekt in Abtenau zu dem Thema, und auch in der Gemeinde wird diskutiert, dass das eine totale Chance wäre für Abtenau, sich als Zentrum von Heilkräutern zu positionieren.

Da stellt sich natürlich die Frage, welche Kräuter Sie gegen Corona empfehlen?
Viren sind immer spezifisch, da gibt's natürlich noch nichts Bekanntes. Aber ich arbeite gerade an einem Immun-Booster. Was da schon sehr bekannt ist, wäre Ingwer und Gelbwurz, die wachsen allerdings nicht hier. Aber Thymian, Salbei oder der Sonnenhut, da bin ich am Recherchieren, welche Kräuter da hierzulande altbekannt sind.


Wie haben Sie den anfänglichen Lockdown bzw. die Corona-Zeit bisher erlebt?
Für mich war es schon ein totaler Unterschied. Ich bin ständig unterwegs, in Wien, in Abtenau, in Luxemburg bei meiner Mutter, bei Vorträgen. Ich bin kaum mehr als drei, vier Nächte an einem Ort. Und dann kam der Lockdown, das war für mich die Vollbremsung, dreieinhalb Monate hier in Abtenau. Aber das hat mir getaugt, das hat mir so gut getan.


Wie haben Sie die Zeit genutzt?
Erstens hatte ich viel Zeit für die Landwirtschaft, da gibt's ja viel Arbeit im Frühjahr. Und 14 Tage später, nachdem die Kinder in Wien in Quarantäne waren, sind sie alle gekommen, da waren wir fünf Erwachsene und fünf Kinder im Haus. Und die Erwachsenen mussten Homeoffice machen, ich auch. Ich habe meine Vorlesungen auf Zoom gehalten, das hat mir total getaugt.

Und Sie sind auch als Wohltäterin aktiv geworden.
Na ja, ich habe mir Folgendes gedacht: Die einen hatten in der Corona-Zeit die Arschkarte, ich nenne es bewusst so, also alle, die in den Supermärkten arbeiten mussten, oder auch die Gesundheitsberufe. Und die anderen, so wie ich, die Beamten und Pensionisten, wir kriegen unsere Pension mit null Abstrichen. Wir fahren aber nirgends hin, geben kein Geld aus und haben am Ende des Monats mehr Geld am Konto als vorher. Ich finde, das geht nicht. Deswegen habe ich einen Aufruf gestartet für einen Corona-Solidarbeitrag, und habe alles, was am Monatsende übrig war, hergegeben an Bekannte, von denen ich wusste, dass sie momentan nichts hatten, Friseure, Künstler, Freiberufler etc. Und das sollten alle tun.

Also lässt sich auch etwas Positives aus der Krise mitnehmen?
Na sicher. Vor allem einmal, dass die Leute mehr gebildet werden. Nehmen wir die Impfgegner, die haben keine Ahnung, sie kennen keine Infektionskrankheiten, weil sie aufgewachsen sind im Luxus der Hygiene, wo es Medikamente und sauberes Wasser und Impfungen gibt. Die Leute reden deppert und schätzen gar nicht, was Wissenschaft und Medizin in den letzten 100 Jahren geleistet haben. Aber die Impfung ist sicher die Lösung für Corona.

Impfen war ja schon vor Corona ein sensibles Thema.
Bei Impfungen sind zwei Dinge wesentlich: Wer sich zum Beispiel nicht gegen Zecken impfen lässt - gut, brauchst du nicht, du infizierst ja niemanden, du bist nur selbst deppert. Aber wenn der Mensch Überträger ist, ist es eine Verantwortung dem anderen gegenüber. Das muss man unterscheiden, aber das tun die Leute nicht und sagen "Das ist meine Freiheit." Aber die eigene Freiheit endet halt dort, wo man die des anderen gefährdet, oder sogar den Menschen selbst. Das ist das Positive, dass diese Diskussion wieder geführt wird.


Hat Sie die gesellschaftliche Reaktion auf Corona überrascht, zuerst Solidarität und Zusammenhalt, jetzt Maskendiskussion und Verschwörungstheorien?
Die Verschwörungstheorien waren immer da, aber so massiv hätte ich es mir nicht vorgestellt. Da geht's ja ums Eingemachte. Was ich sehr merkwürdig finde, ist das Maskentragen als politisches Statement. Eine Maske ist kein politisches Statement, es ist ein IQ-Test. Und es ist eine Art der Solidarität und Verantwortung anderen gegenüber. Wenn man selbst infiziert ist, rennt man nicht rum und infiziert andere.


In Klagenfurt wurde ja kürzlich deswegen eine Frau verurteilt, weil sie trotz Corona-Infektion und verhängter Heimquarantäne in ein Geschäft gegangen war.
Das finde ich richtig. Das ist extrem wichtig, die Leute sollen zur Verantwortung gezogen werden.


Beschäftigt man sich als Naturwissenschafterin anders mit einer Pandemie?
Ich glaube schon. Ganz rational halt. Was mich an der Menschheit enttäuscht: Einerseits hat sie so viel dazugelernt, andererseits verstehen die Leute den Unterschied zwischen Glauben und Wissen nicht. Wenn ihnen etwas gefällt, dann glauben sie es, egal ob das etwas mit der Realität zu tun hat oder nicht.

Das ist natürlich in Pandemie-Zeiten verheerend.
Und ob, wo es gerade so viele religiöse Cluster überall auf der Welt gibt, Frankreich oder Südkorea oder die Freikirchen bei uns. Das Problem ist, die Leute glauben, was sie glauben wollen. Und sie sind so ungebildet in der Wissenschaft. In Österreich ist Bildung ja eher Kultur - Literatur, Geschichte, Musik, Opern, das ist Bildung. Ui, der ist gebildet, der kann zitieren, aus welcher Oper welche Arie stammt. Aber sie wissen nicht, was ein Gen ist, und sind gegen Gentechnik. Ich habe kein Problem, wenn Leute gegen Gentechnik sind, aber sie sollen zumindest wissen, was ein Gen ist.

Hat Österreich die Pandemie bisher gut gehandhabt?
Ja, es ist sicher richtig gelaufen. Vielleicht ein bissl übertrieben, aber da kann man niemandem einen Vorwurf machen, weil man es vorher nicht weiß. Es ist eine neue Situation, und da wäre ich auch lieber zu vorsichtig. Nehmen Sie zum Beispiel Belgien, die haben ungefähr 9000 Tote, mehr als das Zehnfache wie bei uns!

Sie sind in Brasilien geboren und aufgewachsen. Tut es weh, nun dort hinzublicken, wo sich die Situation stetig verschlimmert, mit fast 117.000 Corona-Toten?
Es ist eine Katastrophe, und der Bolsonaro, ich mein... (Präsident Jair Bolsonaro war selbst infiziert, bestreitet aber die Gefährlichkeit von COVID-19, Anm.) Was ich nicht verstehe, ist, dass die Menschheit so intelligent ist und so viel Wissen hat, das Volk aber so dumm ist. Ich weiß, das ist jetzt überheblich, aber wie kann man wen wie den Trump wählen? Oder den Bolsonaro? Wie können solche Typen ankommen? Die Türkisen sind für mich auch ein Wahnsinn. Das sind für mich junge Leute, die nicht wissen, was sie wissen sollten. Die sind unheimlich gut gebildet in der Darstellung, sind aber keine Experten. Die sind viel zu jung und unerfahren, um ein Land zu regieren. Ich finde das echt problematisch.

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Renée Schroeder, geboren am 18. Mai 1953, wuchs in Brasilien auf, 1967 zog die Familie nach Österreich. Die Biochemikerin ist eine international anerkannte Expertin im Bereich der Ribonukleinsäuren. Sie forschte jahrelang am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Uni Wien, und leitete von 2005 bis zu ihrer Pensionierung 2018 das Department für Biochemie. Für ihre Forschungen wie auch ihre Publikationen (z.B. "Die Henne und das Ei - auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens", 2011) ist sie vielfach ausgezeichnet worden.


Sie engagiert sich auch gesellschaftspolitisch, unter anderem für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft, für die Initiative "Religion ist Privatsache" und für die Parteiakademie der Liste "Jetzt" ihres Schulfreundes Peter Pilz.


2011 kaufte sie mit ihrer Familie den Leierhof in Abtenau und bewirtschaftet ihn nun seit einigen Jahren mit der Herstellung von Kräuterprodukten, gibt Kurse zum Thema und gründete ein eigenes Kräuternetzwerk.


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